Die Ratlosigkeit war bei den Sozialdemokraten auch Tage nach dem Wahlsonntag noch spürbar. Der Absturz der SP von 18,8 auf 16,8 Prozent Wähleranteil kam für die meisten Parteimitglieder völlig unerwartet – angesichts der Wahlumfragen, die lediglich ein kleines Minus hatten erwarten lassen, einigermassen verständlich. Was aber sind die Gründe für die Wahlschlappe? Im Gespräch verweisen SP-Politiker einstimmig auf die Wechselwähler im grün-linken Lager: Viele von ihnen hätten diesmal grün gestimmt. Das mag richtig sein, ist wohl aber nur ein Teil der Antwort.
SP-Nationalrat Fabian Molina (29, ZH) glaubt, den Grund für die Wahlniederlage zu kennen: «Wir müssen aufhören, den Menschen klarzumachen, wir seien die besseren Grünen», sagt der frühere Juso-Präsident. «Die SP muss sich auf ihr Alleinstellungsmerkmal konzentrieren: die soziale Transformation der Wirtschaft.»
Grünen haben den Ruf als frische Kraft
Seine Parteikollegin Min Li Marti (45, ZH) sieht dagegen in der abnehmenden Parteitreue einen der Gründe für das schlechte Abschneiden. Zudem werde die SP nicht mehr als Fortschrittspartei wahrgenommen, sagt sie. Die Grünen hätten den Ruf als frische Kraft – ungeachtet der Tatsache, dass sie meist mit den Linken übereinstimmten.
Beide Politiker befürchten, dass es der SP in Zukunft so ergehen könnte wie den Sozialdemokraten in Deutschland, die von den Grünen bereits überholt wurden. «In der Schweiz hatten wir lange das Gefühl, die SP sei anders als ihre Schwesterparteien», sagt Marti. «Vielleicht sind wir doch nicht so einzigartig, wie wir gedacht hatten.»