Zum Abschied gibt Hans Grunder (63) aus Rüegsauschachen im Emmental BE noch einmal Gas. Lange hatte der Berner Nationalrat mit sich gerungen, aber es liess ihm einfach keine Ruhe. Oder anders herum – der Gründungspräsident der BDP hielt die Ruhe in seiner Partei nicht mehr aus.
«Langweilig, aber gut», lautet der Slogan, mit dem die BDP in die Wahlen geht. Grunder ist zwar vieles, ein Langweiler sicher nicht. Und auch keiner, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält. Das war schon so, als Grunder 2007 für die SVP in den Nationalrat gewählt wurde – und sogleich mit Parteiübervater Christoph Blocher (78) aneinandergeriet.
«Grösstes Schlitzohr unter der Bundeshauskuppel»
Als die BDP noch «seine» Partei war, da hätte er ein Trommelfeuer veranstaltet, um seinen Vorhaben zum Durchbruch zu verhelfen – und ja, auch um vor den Wahlen Lärm zu machen. Als «das grösste Schlitzohr unter der Bundeshauskuppel» bezeichnete ihn einmal ein Politbeobachter. Das war damals, als Parteichef Grunder seine Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (63) regelmässig zur Weissglut und oftmals dazu trieb, die Gunst der Stunde zu nutzen.
«Dank Eveline», betont Grunder gern, habe die Schweiz den Atomausstieg beschlossen. Und dank Tesla-Fahrer Grunder hatte Doris Leuthard (56) später ebenfalls solch ein Elektroauto aus den USA als Bundesratsfahrzeug. Ein Ausfährtli mit Grunders Tesla hatte gereicht, und die damalige Umwelt- und Verkehrsministerin war Feuer und Flamme für das Fahrzeug.
Auch jetzt kann Grunder nicht stillhalten. Am letzten Tag seiner zweitletzten Session hat er gleich vier Vorstösse eingereicht, um Bundesrat und Parlament einen Anstoss zum Kampf gegen die Klimaerwärmung zu geben: Grunder fordert Vorfahrt für Elektroautos, Gratis-ÖV für Kinder und Jugendliche, einen Ausstiegsfahrplan für Verbrennungsmotoren und eine CO2-Etikette für Lebensmittel.
Vorfahrt für Elektroautos, Gratis-ÖV für Junge
«Mein Vorbild sind die nordischen Länder», erklärt der Berner. So zeige das Beispiel Norwegen eindrücklich, wie man in kurzer Zeit den Elektroauto-Anteil markant erhöhen könne, wenn man Anreize schaffe. Deshalb verlangt Grunder in einem Postulat, der Bundesrat solle Anreize für den CO2-neutralen motorisierten Individualverkehr (MIV) schaffen. Der Tesla-Fahrer denkt dabei an Gratisparkplätze für Elektroautos, die Benützung von Busfahrspuren, eine reduzierte Motorfahrzeugsteuer und Schrottprämien beim Umstieg auf ein Elektro- oder Wasserstofffahrzeug.
Kinder und Jugendliche sollen bis zum Erreichen des 16. Altersjahrs den öffentlichen Verkehr gratis nutzen können. Und für junge Erwachsene soll der ÖV bis zum 25. Altersjahr stark vergünstigt werden – abhängig vom Einkommen. Dies fordert der BDP-Nationalrat in einem zweiten Vorstoss.
Ausstiegsfahrplan für Verbrennungsmotoren
Und in einer weiteren Motion verlangt Grunder vom Bundesrat einen verbindlichen Ausstiegsfahrplan für Verbrennungsmotoren. Neuzulassungen von Benzin- und Dieselautos sollen bis 2025 um 25 Prozent sinken müssen, bis 2030 sollen sie sich halbieren. 2040 muss ganz Schluss sein mit den Verbrennungsmotoren im MIV. Den Schwerverkehr nimmt Grunder explizit aus. Und der Bundesrat soll zudem Ausnahmen für die Wirtschaft vorsehen können.
CO2-Etiketten für Lebensmittel
Auch die Lebensmittelproduktion soll klimaschonender werden. Grunder will eine CO2-Etikette schaffen. Diese soll nicht nur zeigen, wie hoch der CO2-Verbrauch für die Nahrungsmittelproduktion war, sondern auch den CO2-Verbrauch beim Transport berücksichtigen: Der Apfel aus der Region gehörte demnach in die beste Klasse A+++, Äpfel irgendwoher aus der Schweiz sind mit einem gewöhnlichen A noch immer gut bewertet. Aber der Apfel aus Neuseeland wird mit F oder G abklassiert.
Support von den Bauern?
Beim vierten Vorstoss zu den Nahrungsmitteln erhofft sich Grunder die Unterstützung durch die Schweizer Bauern. Denn mit der Lebensmitteletikette werden die Produkte hiesiger Landwirte gefördert.
Wie gross die Unterstützung für die anderen drei Vorstösse im Parlament ist, muss sich weisen. Allerdings werden sie erst debattiert, wenn die Parlamentswahlen vom Herbst 2019 lange vorbei sind. Dann werden viele Umweltversprechen längst vergessen sein. Grunder wird die Vorstösse dann nicht mehr verteidigen können. Er tritt im Herbst ab. Den Vorstössen zum Durchbruch verhelfen soll dann Parteifreund Lorenz Hess (57). Das hat er Grunder versprochen. Dass es ihm gelingt, konnte er allerdings nicht versprechen.
Und dass Grunder dann nur untätig zusieht, wenn das Parlament seine Vorstösse zu versenken droht, dafür legt auch der abtretende BDPler nicht die Hand ins Feuer.