Grünen-Chefin Regula Rytz (57) hat mit nur 82 Stimmen den Sprung in den Bundesrat verpasst. Zwar ist der grüne Sitzanspruch nach dem Wahlerfolg grundsätzlich anerkannt. Doch amtierende Bundesräte abwählen mochten die bürgerlichen Parteien nicht. Sowieso müssten die Grünen ihren Sieg in vier Jahren zuerst bestätigen, so der Tenor.
Wenn die Grünen bei den Wahlen 2023 ihren vierten Platz verteidigen, kommen die Bundesratsparteien kaum darum herum, ihnen einen Sitz zuzugestehen. Rytz liess heute zwar offen, ob sie zu einem späteren Zeitpunkt nochmals für einen Kandidatur zur Verfügung stehen würde. Mit dann 61 Jahren dürfte es aber schwierig werden.
Doch die Grünen haben einige Hoffnungsträger in ihren Reihen, die für den Bundesratsposten dereinst in Frage kommen.
Manuela Weichelt-Picard
Die neue Nationalrätin Manuela Weichelt-Picard (52) ist die erste Frau, die den Kanton Zug in Bern vertritt. Schon dieses Jahr hatte sie Interesse an einer Bundesratskandidatur signalisiert – verzichtete zugunsten von Rytz aber darauf. Die Parteichefin sei die logische Kandidatin, sagte sie im Vorfeld zu BLICK, weshalb sie selbst «aktuell» nicht antreten mochte.
Das verrät: Zu einem späteren Zeitpunkt könnte sie sich eine Kandidatur durchaus vorstellen. Ihr Vorteil: Als ehemalige Regierungsrätin verfügt sie über Exekutiverfahrung. Zwölf Jahre lang stand die frühere Sozialarbeiterin der Direktion des Innern vor.
Sie selbst bezeichnet sich als Chrampferin, Organisationstalent – und Morgenmuffel. Die Halbmarathonläuferin ist sich gewohnt, dass es auch in der Politik Ausdauer braucht. In den nächsten vier Jahren wird sich die zweifache Mutter in Bundesbern beweisen können. Die Voraussetzungen dafür sind gut, sitzt sie doch neu in der prestigeträchtigen Sozial- und Gesundheitskommission.
Bernhard Pulver
«Für mich wäre eine Kandidatur jetzt zu früh gekommen», begründete der einstige Berner Regierungsrat Bernhard Pulver (54) seinen Verzicht. Und: «Nach zwölf Jahren Regierungsrat möchte ich zuerst wieder frische Ideen und Energien tanken, bevor ich wieder so ein belastendes Amt übernehmen würde.»
Damit bleibt die Tür für einen späteren Versuch weit offen. Zwar wäre Pulver in vier Jahren schon 58, aber doch noch nicht zu alt für den Posten. Vor allem könnte der Grüne, der mit seinem Lebenspartner in Bern wohnt, bis weit in die bürgerliche Mitte punkten. Als Erziehungsdirektor war er in der Berner Exekutive weitgehend unbestritten, zählt er doch zum moderaten Flügel seiner Partei.
Seit 1. Februar 2019 ist Pulver Verwaltungsratspräsident der Insel Gruppe. Beweist er sich in seinem neuen Job, gehört er in vier Jahren auf jeden Fall zum Favoritenkreis.
Bastien Girod
Auch der Zürcher Nationalrat Bastien Girod (38) stand bereits Gewehr bei Fuss und hatte der Fraktionsspitze sein Interesse angekündigt. «Ich habe mir eine Kandidatur sehr ernsthaft überlegt und wäre bereit gewesen anzutreten», so Girod. Doch auch er zog sich zugunsten der Grünen-Chefin zurück.
In vier Jahren aber könnte die Stunde des Umweltwissenschaftlers schlagen. Girod, der seit 2007 im Nationalrat sitzt, zählt zum Realo-Flügel. Dabei hat er sich stark auf die Partei-Kernthemen Energie- und Klimapolitik fokussiert – und liegt dabei thematisch voll im Trend. Ganz Wissenschaftler argumentiert der ETH-Privatdozent meist sachlich und faktenbasiert, wenn auch manchmal etwas oberlehrerhaft. Doch Girod könnte durchaus auch in der politischen Mitte punkten.
Neu präsidiert der frühere Greenpeace-Aktivist die für das links-grüne Lager besonders wichtige Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek). Weiss der zweifache Vater diese Plattform zu nutzen, steigen seine Chancen, dereinst für die Grünen ins Bundesratsrennen zu steigen. Besonders, wenn sich die Grünen für ein Doppel- oder gar Dreierticket entscheiden.
Lisa Mazzone
Nach vier Jahren im Nationalrat gehört die neue Genfer Ständerätin Lisa Mazzone (31) zu den grünen Aushängeschildern in der Romandie. Mit ihr als Zugpferd sind die Grünen im Kanton Genf mit knapp 25 Prozent Wähleranteil zur stärksten Partei gewachsen. Als einzige grüne Ständerätin nimmt sie zudem gleich in vier ständigen Kommissionen Einsitz – darunter die gewichtige Verkehrskommission wie auch die Energiekommission. Das zeigt ihr Gewicht in der Partei.
Die Mutter eines Sohnes könnte dann zur Option werden, wenn im Bundesrat mehrere Vakanzen entstehen und auch ein welscher Sitz zur Disposition steht. Denkbar ist etwa, dass SVP-Bundesrat Guy Parmelin (60) Ende Legislatur abtritt. Und sollte auch der als Bundespräsident abtretende SVP-Magistrat Ueli Maurer (69) mit seinem Rücktritt so lange zuwarten, wären rasch mal neue Konstellationen möglich.
Kann Mazzone in den nächsten vier Jahren im Ständerat punkten, kann sie in der kleinen Kammer eine gute Wahlbasis schaffen. Denn Ständeräte wählen tendenziell lieber jemanden aus den eigenen Reihen in den Bundesrat als aus der grossen Kammer. Eine Hürde ist allerdings ihr Alter: Mit dann 35 wäre sie noch etwas jung für den Bundesrat. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: So war SP-Bundesrat Alain Berset (47) bei seiner Wahl erst 39. Und CVP-Frau Ruth Metzler (55) sogar erst 34.
Greta Gysin
Die Grünen haben aber auch noch einen Tessiner Joker in der Hinterhand – für den Fall, dass es in vier Jahren erneut gegen die FDP und damit gegen Ignazio Cassis (58) gehen sollte. Dann könnte die Öko-Partei mit der Tessiner Nationalrätin Greta Gysin (36) ins Feld ziehen und damit die Regionenfrage entschärfen.
Gysin ist dank ihrer Baselbieter Wurzeln perfekt zweisprachig. Die Gewerkschafterin und dreifache Mutter gehörte zu den Initianten der kantonalen Mindestlohn-Initiative, die 2015 angenommen wurde. Und bereits in der ersten Session machte die Gewerkschafterin einen Vorstoss zum Thema Mindestlohn.
Sie nimmt in der Staatspolitischen Kommission Einsitz, wo sie sich mit Themen wie Asyl- und Ausländerrecht oder Datenschutz befassen wird.