Die Reaktion kam mit Verspätung. Die SBB brauchten eine Woche, um per Interview bei CH Media zu erklären, sie wollten an Bahnhöfen keine Gesichtserkennung einführen. Welche Technik stattdessen zur Anwendung kommen soll, weiss man laut SBB-Bewirtschaftungschef Alexis Leuthold jedoch nicht.
Vom Parlament erhalten die SBB unter der Leitung von Vincent Ducrot (60) so kein Freibillett. Im Gegenteil, in der am Montag beginnenden Session wird es Vorstösse von links bis rechts hageln.
Öffentlich geworden sind die Pläne durch einen Artikel im «K-Tipp». Seither reissen die Berichte nicht ab. Aufgeschreckt durch die zahlreichen Medienbeiträge, informierte sich laut Blick-Informationen das zuständige Umwelt- und Verkehrsdepartement (Uvek) bei der SBB-Spitze über das Vorhaben. Und selbst in der fürs Uvek zuständigen Unterkommission der GPK ist die SBB-Überwachung ein Thema.
Grüne fordert Verbot
Die Beteuerungen der Bundesbahnen, die Daten würden anonymisiert erfasst, es finde keine Verknüpfung mit Personendaten statt und der Datenschutz sei gewährleistet, zeigen wenig Wirkung. Und dass sich ein Public-Affairs-Fachmann der SBB in dieser Sache an verschiedene Parlamentarier wandte, half auch nicht.
Jetzt bringen sich mehrere Nationalrätinnen und Nationalräte mit Vorstössen ein: Marionna Schlatter (42, Grüne) verlangt vom Bundesrat Auskunft darüber, auf welchen gesetzlichen Grundlagen die Bundesbahnen die umfassendere Überwachung der Bahnhöfe aufgleisen wollen. Ob es eine solche für die kommerzielle Nutzung gibt, ist umstritten.
«Für mich stellt sich zudem die Frage, ob es nicht generell gesetzlichen Handlungsbedarf gibt, um das Aushorchen im öffentlichen Raum zu untersagen», ergänzt sie. Ihrer Meinung nach brauche es ein Verbot von Gesichtserkennungssoftware.
Neue Qualität
Auch SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel (57) richtet Fragen zum Thema an die Landesregierung. Und Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (44) will wissen, ob der Bundesrat darüber im Bild war, dass bundesnahe Betriebe im öffentlichen Raum zu kommerziellen Zwecken mit Überwachung und biometrischen Daten arbeiten wollen – und wie er sich dazu stellt. Vor allem fragt Bregy, ob der Bundesrat bereit ist, die Staatsbetriebe bei der Videoüberwachung in die Schranken zu weisen.
In der GLP ist Nationalrat Jörg Mäder (47) am Thema dran. «Zusammen mit anderen Grünliberalen bin ich dabei, Vorstösse zur SBB-Überwachung auszuarbeiten», sagt er. Im Kern gehe es darum, dass die heutigen Überwachungssysteme viel weitreichendere Möglichkeiten böten als die früheren Kameras, die einfach das Geschehen aufgezeichnet und kurze Zeit gespeichert hatten. «Jetzt haben wir es mit einer neuen Qualität zu tun.»
«Grenzen setzen»
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Mäder weiter: «Es stellt sich die Frage: Bedeutet das grundsätzliche Okay für Kameras zu Sicherheitszwecken und für die statistische Erhebung von Pendlerströmen auch, dass ich Alter, Geschlecht, Ethnie und so weiter von Reisenden auswerten darf? Ich denke nicht. Hier müssen wir den SBB Grenzen setzen.» Die Politik will den SBB also die Weichen neu stellen.