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Vom Bundesrat vergeben
Lukrative Jöbli für Ex-Parlamentarier

Die Regierung hat fünf Ex-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier in wichtige Posten gehievt. Fragen zum Wahlprozedere werden nur mässig geschätzt.
Publiziert: 25.12.2019 um 13:22 Uhr
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Aktualisiert: 25.12.2019 um 18:55 Uhr
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Sowohl alt Ständerat Werner Luginbühl ...
Foto: ADRIEN PERRITAZ
Thomas Angeli, «Beobachter»

Am Vormittag des 27. November beschloss der Bundesrat die Aufhebung der Industriezölle, verlängerte den Normalarbeitsvertrag für Hausangestellte und genehmigte das Bauprogramm für die Fertigstellung der Nationalstrassen.

Neben rund 20 weiteren Geschäften wählte er zudem 1600 Mitglieder von ausserparlamentarischen Kommissionen. Die Liste mit den Namen der Gewählten ist 223 Seiten lang. Es existieren ausserparlamentarische Gremien für fast alles: für Film, Arzneimittelkontrollen und für Artenschutz.

In diesen «gesellschaftsorientierten ausserparlamentarischen Kommissionen», wie es im Verwaltungsjargon heisst, diskutieren Fachleute und Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Interessengruppen und verabschieden Stellungnahmen zuhanden des Bundesrats. Die Wahl ist Formsache, die Entschädigung gering. Je nach Art der Kommission beträgt sie zwischen 200 und 400 Franken pro Tag.

Unabhängigkeit bisher kein Thema

Daneben gibt es jedoch auch noch die «marktorientierten Kommissionen», und diese haben einen ganz anderen Stellenwert. Sie sind Regulierungs- und Aufsichtsbehörden mit entsprechenden Befugnissen. Die Eidgenössische Elektrizitätskommission Elcom etwa regelt unter anderem die Tarife und überwacht die Stromversorgung in der Schweiz. In Streitfällen kann sie rechtsgültig entscheiden und Verfügungen erlassen. Kurz: Es ist eine mächtige Behörde.

«Die Elcom ist die unabhängige staatliche Regulierungsbehörde im Elektrizitätsbereich», heisst es auf ihrer Website. Mit dem zurückgetretenen Berner BDP-Ständerat Werner Luginbühl (61) wählte der Bundesrat am 27. November jedoch einen Mann zum Präsidenten der Elcom, bei dem die Unabhängigkeit von der Strombranche bisher kein Thema war, im Gegenteil.

Beobachter
Artikel aus dem «Beobachter»

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.beobachter.ch

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Luginbühl amtierte die letzten sechs Jahre als Verwaltungsratspräsident der Kraftwerke Oberhasli AG, einer Tochtergesellschaft der BKW. Im Ständerat galt er als einer der vehementesten Vertreter der Stromlobby. Wie er den direkten Sprung vom Stöckli an die Spitze der Elcom schaffte, will Luginbühl nicht sagen, nur so viel: «Ich erwähnte einmal gegenüber jemandem, dass dieser Job mich auch interessieren würde. Später wurde ich angefragt.» Von wem? «Das zuständige Departement muss entscheiden, ob es das sagen will.»

Elcom: Unbeantwortete Fragen

Frage also an das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (59) : Wie lief das Verfahren zur Auswahl der neuen Elcom-Mitglieder genau ab? Die nebulöse Antwort: «Im Hinblick auf den Präsidenten der Elcom hat das Uvek ein externes Unternehmen beauftragt, den Kandidaten zu finden, der dem gewünschten Profil entspricht.»

Erst auf Nachhaken hin beantwortet die Uvek-Medienstelle vier von sechs konkrete Fragen. Das «externe Unternehmen» ist nun ein «Executive-Search-Büro», das Verfahren «mehrstufig». Auf ein Assessment, wie es für Kaderstellen üblich ist, verzichtete man. Dies entspreche «nicht der Praxis für die Besetzung der ausserparlamentarischen Kommissionen durch den Bundesrat», schreibt das Uvek. Unbeantwortet bleibt insbesondere die Frage, ob das Uvek Luginbühl als unabhängig genug betrachtet.

Etwas Licht ins Dunkel des Auswahlprozederes bringt eine Person, die selber in das Verfahren involviert war. Das «Executive-Search-Büro» hatte demnach die Aufgabe, mögliche Kandidatinnen und Kandidaten zu kontaktieren. Das vom Departement zitierte mehrstufige Verfahren bestand aus einem Motivationsschreiben, einem Interview mit Uvek-Generalsekretär Matthias Ramsauer und schliesslich einem Gespräch mit Departementsvorsteherin Sommaruga.

Savary neue Präsidentin der Postcom

Gleiches Departement, andere Kommission, ähnliches Prozedere: Auch die Post-Aufsichtsbehörde Postcom hat eine neue Präsidentin, und diese findet Fragen zu ihrer Wahl eine Zumutung. Sie sei als Parlamentarierin Mitglied der Subkommission gewesen, die für die Aufsicht über die Post zuständig ist, erklärt die ehemalige Waadtländer SP-Ständerätin Géraldine Savary (51).

Die Frage, inwiefern sie das Anforderungsprofil erfülle – verlangt werden unter anderem Führungserfahrung sowie juristisches oder ökonomisches Fachwissen –, versetzt die frühere Journalistin und Politologin in Rage. Das sei «eine typische frauenfeindliche Haltung eines männlichen Deutschschweizer Journalisten», erklärt sie.

Das Generalsekretariat des Uvek habe «mit verschiedenen Personen das Gespräch gesucht», schreibt die Medienstelle zur Wahl Savarys. «Dabei galt es auch, Vorgaben für eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter und der Sprachgemeinschaften zu berücksichtigen. Nach einem mehrstufigen Verfahren unterbreitete die Departementsvorsteherin eine Kandidatin dem Bundesrat.»

Kritik von Transparency Schweiz

Es ist sowohl bei Luginbühl als auch bei Savary ein erstaunliches Vorgehen für Posten mit grosser Verantwortung, viel politischer Macht und ansprechender Bezahlung. Für sein 60-Prozent-Mandat erhält Luginbühl 150'000 Franken. Savarys 50-Prozent-Stelle als Postcom-Präsidentin wird mit 100'000 Franken honoriert.

Für die Anti-Korruptions-Organisation Transparency Schweiz muss gerade bei ehemaligen Ratsmitgliedern das Auswahlverfahren transparent erfolgen, um jeglichen Anschein der politischen Klüngelei zu vermeiden. «Dies nicht zuletzt zum Schutz der Integrität und der Reputation der Behörde», betont der stellvertretende Geschäftsführer Alex Biscaro.

«Zudem müssen die Gewählten bei jeglichem Anschein eines Interessenkonflikts konsequent in den Ausstand treten.» Dies wäre gemäss Biscaro bei einem ehemaligen Parlamentarier beispielsweise dann der Fall, wenn die Aufsichtsbehörde einen Geschäftsvorgang eines Unternehmens untersucht, bei dem das ehemalige Ratsmitglied direkt involviert war – etwa als Verwaltungsratsmitglied.

Politische Verdienste gewürdigt

Politische Verdienste werden nicht nur im Uvek gewürdigt. Das Justiz- und Polizeidepartement von FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter (56) etwa nominierte mit Adrian Amstutz (66, SVP) und Fabio Abate (53, FDP) gleich zwei Ex-Parlamentarier für die Eidgenössische Spielbankenkommission. Sie überwacht das Glücksspiel in der Schweiz, das 2018 mit einem neuen Geldspielgesetz geregelt wurde. Dafür hatten sich im Parlament und später im Abstimmungskampf insbesondere die Schweizer Casinobetreiber starkgemacht. Auch mit dabei im Pro-Komitee: Amstutz und Abate.

Seine «überzeugte Mitarbeit» beim neuen Geldspielgesetzn habe sicher mitgeholfen, dass er diesen Kommissionssitz bekommen habe, sagt alt Nationalrat Amstutz. Vor der Wahl sei er von einer Person – «von wem, sage ich Ihnen nicht» – auf diese Aufgabe angesprochen worden, worauf er sich ordnungsgemäss beim zuständigen Justizdepartement beworben habe. Die Mandate von Amstutz und Abate werden jährlich mit 18'000 Franken entschädigt.

Von Lobby zu Aufsicht

Auch beim Institut für Geistiges Eigentum (IGE) setzt man auf ein bekanntes Gesicht. Der Institutsrat der Patentbehörde wird künftig von alt Nationalrätin Corina Eichenberger (65, FDP) geleitet. Die Juristin kommt auch beim Verteidigungsdepartement als Mitglied der Rüstungskommission zum Einsatz.

Dabei wird sie auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen können. Eichenberger war nicht nur Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats, sondern auch Co-Präsidentin des Arbeitskreises Sicherheit und Wehrtechnik – einer Lobbyvereinigung der Rüstungsindustrie.

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