Jetzt spricht Andreas Dummermuth
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Ja zum Überwachungsgesetz:Jetzt spricht Andreas Dummermuth

Volk will IV-Schnüffler
Klares Resultat mindert Chancen für Beschwerden

An der Klarheit des Resultats gibt es nichts zu deuteln: Das Referendum gegen die Versicherungsschnüffler ist gescheitert. Ob allerdings auch wegen der Fehler im Abstimmungsbüchlein bereits das letzte Wort gesprochen ist, ist noch offen.
Publiziert: 26.11.2018 um 09:44 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2018 um 15:02 Uhr
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Das Gesetz über die Sozialdetektive ist am 25. November vom Volk angenommen worden. In Bern freuten sich die Befürworter (v. l.): Michaël Girod, CVP-Mediensprecher Westschweiz; Andreas Dummermuth, Präsident der kantonalen Ausgleichskassen; Nationalrat Thomas Weibel und Ständerat Damian Müller.
Foto: Andrea Willimann/BLICK
Andrea Willimann

Ja, sie sollen ausspionieren, fotografieren und filmen können. Das Schweizer Stimmvolk hält Versicherungsschnüffler für wichtig, wenn es darum geht, den Missbrauch von Sozialrenten zu stoppen. Es sagt mit 64,7 Prozent Ja zum neuen Gesetzesartikel für die Überwachung von Versicherten. Das Bürger-Referendum «gegen die Versicherungsspione» ist gescheitert.

Eine Mehrheit der Stimmbürger glaubt den Versicherern, dass sie ihren Schnüfflern klare Grenzen setzen. Vor allem die IV und die obligatorischen Unfallversicherer wie die Suva können somit ihre verdeckten Observationen «als letztes Mittel» wieder durchführen. 2017 hatten der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Schweizer Bundesgericht ihnen dies untersagt, weil die rechtlichen Grundlagen fehlten.

«Die Richtigen sollen profitieren»

Entsprechend erfreut reagiert Andreas Dummermuth (57), Präsident der kantonalen Ausgleichskassen. «Die Bevölkerung hat heute gezeigt, dass sie die Sozialversicherungen als wichtig und notwendig erachtet. Sie will sichere Sozialwerke, und es sollen folglich nur die Richtigen davon profitieren», so der Schwyzer.

Auch CVP-Nationalrätin Andrea Gmür (54, LU) ist erleichtert über das deutliche Resultat. «Die ganze Polemik der Gegner – Blicke ins Schlafzimmer, Drohnen vor dem Balkon – hat nicht verfangen.»  Wie ihr Ratskollege Thomas Weibel (64, ZH) von den Grünliberalen ist sie vor allem auch froh, dass die «unschönen falschen Zahlen» des Bundesamtes für Sozialversicherungen der Pro-Kampagne nicht geschadet haben.

Kaum Chancen für Abstimmungsbeschwerde

Aufgrund des klaren Resultats halten es beide für wenig wahrscheinlich, dass das Bundesgericht die Beschwerde des Referendumskomitees wegen der Fehler im Abstimmungsbüchlein gutheisst oder die heutige Volksabstimmung kassiert. 

Dabei tragen gerade die CVP-Vertreter unter den Befürwortern zwei Herzen in ihrer Brust. Einerseits wollen sie möglichst schnell wieder Versicherungsdetektive. Andererseits haben sie es mit ihrer Volksinitiative «gegen die Heiratsstrafe» selber erlebt, wie es ist, wenn bei einer Abstimmung falsche Zahlen im Spiel sind.

So sagt Gmür: «Grundsätzlich hat jeder das Recht, mit einer Beschwerde ans Bundesgericht zu gelangen, wenn er das Gefühl hat, es sei falsch informiert worden.» Bei der Heiratsstrafe sei es ein extrem knappes Resultat gewesen, und zudem seien extrem falsche Zahlen publiziert worden. «Ich begrüsse es daher, wenn das Bundesgericht bei unserer Initiative genau hinschaut. Im Fall der Sozialdetektive ist das Resultat jedoch derart eindeutig; daran ändern auch andere Zahlen nichts.»

Referendumskomitee erwägt weitere Beschwerde ...

Das Referendumskomitee beurteilt dies komplett anders. Laut Co-Kampagnenleiter Dimitri Rougy (21) prüft es, eine dritte Beschwerde einzureichen, welche die bisherige Kritik zusammenfasst. «Es braucht jetzt eine öffentliche Debatte, wer beim Bund und mit welcher Sorgfalt offizielle Abstimmungsinformationen verfasst», so Rougy.

Um die Qualität bei den Entscheidungsgrundlagen weiter zu verbessern, hat Bundeskanzler Walter Thurnherr (55) bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Auch die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission ist aufmerksam und könnte nochmals aktiv werden.

Reichen Online-Korrekturen?

Für Rougy ist allerdings ebenso entscheidend, wie der Bund reagiert, wenn die Fehler bereits im gedruckten Abstimmungsbüchlein sind – ob verschickt oder nicht. «Einfach nur online etwas zu korrigieren, das reicht nicht.» Eine Lösung für solche Fälle müsse her.

Vom Inhalt des Abstimmungsbüchleins halten die Köpfe des Referendumskomitees jedoch generell wenig. Rechtsanwalt Philipp Stolkin ist überzeugt, dass sich die Versprechen der Versicherungslobby in Schall und Rauch auflösen: «Sie werden alle überwachen – ich denke, es wird bis ins Schlafzimmer gefilmt werden.»

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