Blick: Frau Bundesrätin, im Dezember hat das Parlament Sie mit rekordverdächtigen 218 Stimmen wiedergewählt; im Volk gelten Sie als eines der populärsten Bundesratsmitglieder. Macht Ihnen das keine Angst – Sie können ja nur noch unbeliebter werden?
Viola Amherd: Nein, gar nicht. Im Gegenteil, es macht Freude, diese Unterstützung zu spüren. Aber ich weiss auch: In der Politik braucht es einen einzigen Fehlentscheid und schon ändert sich die öffentliche Meinung. Damit muss man leben lernen.
Dennoch: Profitieren Sie als erste Chefin des Verteidigungsdepartements von einem Frauenbonus?
Schwer zu sagen. Als ich in die Politik eingestiegen bin, war ich noch ziemlich jung und als Frau im Oberwallis eher die Ausnahme. Da hiess es manchmal: «Ah, du hast den Frauenbonus!» Ich bin mir aber nicht sicher, ob das tatsächlich ein Bonus oder nicht eher ein Malus war.
Wie das?
In gewissem Sinne war es sicher ein Vorteil, Frau zu sein, weil man mehr Aufmerksamkeit bekam und gute Arbeit honoriert wurde. Auf der anderen Seite wurde man kritischer begleitet; oft lautete die implizite Frage: Kann die das überhaupt? Ich würde sagen, unter dem Strich haben sich die Vor- und Nachteile aufgewogen. Heute ist es zum Glück nichts Ausserordentliches mehr, wenn eine Frau Stadtpräsidentin ist.
13 Jahre lang sass Viola Amherd (57) im Nationalrat, bevor die Walliser CVP-Politikerin letzten Dezember in den Bundesrat gewählt wurde, wo sie das Verteidigungsdepartement übernahm. Die einstige CVP-Vizefraktionschefin und Juristin hatte von 2001 bis 2012 als Stadtpräsidentin von Brig-Glis VS Exekutiverfahrung gesammelt. Sie ist ledig.
13 Jahre lang sass Viola Amherd (57) im Nationalrat, bevor die Walliser CVP-Politikerin letzten Dezember in den Bundesrat gewählt wurde, wo sie das Verteidigungsdepartement übernahm. Die einstige CVP-Vizefraktionschefin und Juristin hatte von 2001 bis 2012 als Stadtpräsidentin von Brig-Glis VS Exekutiverfahrung gesammelt. Sie ist ledig.
Oder Bundesrätin.
Genau. Das ist heute schon fast normal.
Ihr erster grosser Test als Verteidigungsministerin steht im September bevor: das Referendum gegen den Kauf neuer Kampfjets. Die Gripen-Abstimmung hat der Bundesrat vor sechs Jahren verloren. Wie wollen Sie das Stimmvolk überzeugen?
Die Ausgangslage ist heute eine ganz andere. 2014 haben wir über einen Teilersatz der Kampfjets abgestimmt. Jetzt geht es darum, alle Flugzeuge zu ersetzen. Schon heute können wir die Tiger-Jets nur noch zu Trainingszwecken einsetzen und die F/A-18 kommen 2030 ans Ende ihrer Lebensdauer. Wenn das Stimmvolk die neuen Kampfjets ablehnt, wäre dies das Ende der Luftwaffe, wie wir sie kennen. Die Bevölkerung wäre Angriffen aus der Luft schutzlos ausgeliefert. Diese Verantwortung kann ich als Verteidigungsministerin nicht tragen.
Man könnte doch einfach die alten Flieger weiterfliegen lassen, statt für sechs Milliarden neue zu kaufen.
Wir haben diese Option eingehend geprüft. Dabei zeigte sich: Diese Variante wäre wirtschaftlich völlig unvernünftig. Die Tiger stammen aus den Siebziger-, die F/A-18 aus den Neunzigerjahren – beide Flieger sind aus dem letzten Jahrhundert. In solch alte Systeme zu investieren, macht keinen Sinn. Das ist, wie wenn Sie bei einem vierzigjährigen Auto das Getriebe wechseln müssen: Es ist möglich, aber extrem kostspielig.
Sie sagen also: Wenn das Stimmvolk die Kampfjets ablehnt, hat die Armee überhaupt keine Luftwaffe mehr.
Meine Aussage ist: Der Armee würde ein wichtiger Pfeiler fehlen. Und jenen, die behaupten, ein Luftangriff sei sowieso ein unrealistisches Szenario, möchte ich antworten: Bei einem Nein könnten wir nicht einmal den luftpolizeilichen Dienst sicherstellen. Unsere Piloten könnten also weder unseren Luftraum im Alltag kontrollieren noch die Teilnehmenden schützen, die zu Friedenskonferenzen in Genf oder zum WEF in Davos anreisen. Ohne diesen Schutz kommen aber keine Staatspräsidenten und hohen Gäste in die Schweiz.
Anders als bei der Gripen-Abstimmung kann sich die Bevölkerung diesmal nicht zum Flugzeugtyp äussern. Warum trauen Sie das dem Volk nicht zu?
Das war ein Entscheid des Parlaments und den befolgt der Bundesrat natürlich. Ich denke aber, die Typenfrage ist ohnehin irrelevant. Die Frage ist: Soll die Schweizer Bevölkerung nach 2030 gegen Angriffe aus der Luft geschützt sein – ja oder nein? Ich habe persönlich keine Präferenz für den einen oder anderen Flugzeugtyp. Es soll das Flugzeug mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis beschafft werden.
Die Frauen haben den Gripen-Kauf vor sechs Jahren mehrheitlich abgelehnt. Glauben Sie wirklich, deren Stimmen zu gewinnen, indem Sie die einzige Kampfjetpilotin der Armee für Ihre Kampagne einspannen?
Wie Männer werden auch Frauen mit Argumenten überzeugt. Und das Argument ist eben die Sicherheit der Bevölkerung, auch für nachfolgende Generationen. Zudem war es für mich nichts als logisch, unsere Jetpilotin Fanny Chollet an die Medienkonferenz einzuladen. Ich habe in meiner ganzen politischen Karriere Frauen gefördert. Wenn man eine solche Pilotin hat, ist klar, dass man sie zeigen darf, ja zeigen muss! Auch als Vorbild für junge Frauen.
Ist das nicht fast schon unlautere Werbung? Alle anderen Kampfjetpiloten sind schliesslich Männer.
Frau Chollet ist eine Frau, die viele Fähigkeiten und Kenntnisse besitzt und viel geleistet hat, um Berufspilotin zu werden. Darum ist es für mich korrekt, wenn ich sie an einen Medienauftritt mitnehme. So wie mein Vorvorgänger einen Mann mitgenommen hatte.
Ihr Ziel ist es, den Frauenanteil in den Truppen zu erhöhen. Warum braucht es überhaupt mehr Frauen in der Armee?
Gemischte Teams bringen bessere Resultate. Ich bin überzeugt, dass das nicht nur für die Wirtschaft gilt, sondern auch für die Armee. Die Rückmeldungen, die ich intern erhalte, gehen ebenfalls in diese Richtung: In Abteilungen, in denen Frauen dabei sind, herrscht eine andere Dynamik.
Können Sie das konkretisieren?
Der Umgangston ist anders, wenn Frauen dabei sind. Sachlicher. Darüber hinaus ist die Armee für Frauen auch eine Chance: Fast nirgendwo sonst kann man so jung schon Führungserfahrung sammeln wie in der Armee.
Heute machen Frauen gerade mal 0,8 Prozent des Armeepersonals aus. Angesichts dessen ist Ihr Ziel von zehn Prozent Frauenanteil bis 2030 ziemlich optimistisch.
Das ist sicher ein hohes Ziel, aber dieses Ziel hat der Chef der Armee (Korpskommandant Thomas Süssli; Red.) selber gesetzt (lacht). Ich hatte nur den Auftrag gegeben, Frauen zu fördern. Von daher ist jetzt er gefordert.
Wäre ein Bürgerjahr für alle Jungen nicht das bessere Modell?
Mir geht es nicht nur um Frauenförderung, sondern auch darum, die Armee für alle attraktiver zu machen – für Frauen und Männer. Diesbezüglich erstellt das VBS derzeit einen Bericht mit Vorschlägen. Dieser soll ohne Scheuklappen auskommen, dementsprechend fliessen auch Überlegungen wie die Möglichkeit eines Bürgerjahrs ein. Der «Service citoyen» ist auch Gegenstand einer Initiative, die bereits angekündigt wurde.
Sie würden ein Bürgerjahr also unterstützen?
Ich bin offen, mir das anzusehen.
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.