Bundesräte, die in der Öffentlichkeit ausgelassen tanzen, sind so selten wie Wölfe im Wallis – es gibt sie kaum. Doch genau das passierte diesen Donnerstag an der Bundesratswahlfeier von Viola Amherd (56) in Brig VS.
Als zum Schluss des Fests die Walliser Sängerinnen Sina (52) und Stefanie Heinzmann (29) den Motown-Klassiker «Ain’t No Mountain High Enough» zum Besten gaben, erhob sich die Magistratin spontan, tanzte, hüpfte auf die Bühne und sang den Song mit den beiden Chanteusen begeistert mit.
Gegen ihren Willen im VBS
Was für ein Abschluss für eine Woche, die für die Oberwalliserin mit einem riesigen Frust angefangen hatte. Gegen ihren Willen drückten ihr die vier Bundesräte von SVP und FDP am Montag das Verteidigungsdepartement aufs Auge.
Die CVP-Bundesrätin startet in jener Abteilung der Verwaltung mit dem geringsten Einfluss. Und dies, nachdem ihre Vorgängerin Doris Leuthard (55) jahrelang die wichtigste – das Infrastrukturdepartement Uvek – führte.
Plötzlich von Generälen umgeben
Plötzlich ist die Juristin, die sich bisher nie als Sicherheitspolitikerin bemerkbar machte, umgeben von hohen Offizieren. Armeechef Philippe Rebord (61) nahm am Donnerstag in der Simplonhalle schon einmal am Ehrentisch Platz.
Grund genug für Partei-Ikone Leuthard ihre Nachfolgerin richtig aufzumuntern. In ihrer Rede ging sie mit dem alten VBS-Chef und Bundesratskollegen Guy Parmelin (59, SVP) hart ins Gericht.
VBS: «Viola beendet den Stillstand»
VBS stehe künftig für «Viola beendet den Stillstand», so die Aargauerin. Sicherheit sei wichtig, genau so wie «gut ausgebildete und motivierte Angehörige der Armee».
Zum Schluss ihrer Ansprache versicherte die Uvek-Vorsteherin, dass sie auch nach ihrem Karriereende in der Landesregierung ein offenes Ohr für Amherd habe. «Ob im Freiamt oder im Tessin – wir können jederzeit reden», schloss Leuthard. Amherd erwiderte: «Vielleicht stehe ich schon bald öfter auf deiner Matte, als du heute denkst.»
Rede von Lombardi statt Pfister
Während Leuthard alles unternahm, um ihre Nachfolgerin in gute Stimmung zu versetzen, tat CVP-Präsident Gerhard Pfister (56) wenig, die Gerüchte zu zerstreuen, dass er und Amherd nicht die besten politischen Freunde seien. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Pfister lieber die Urner Regierungsrätin Heidi Z’graggen (52) als neue CVP-Bundesrätin gesehen hätte.
Freimütig gab Fraktionspräsident Filippo Lombardi (62) zu, er habe sich bereit erklärt, Pfister die wichtigste Rede der ganzen Wahlfeier vor versammelter CVP-Prominenz abzunehmen. Lombardi nutzte den Auftritt auch gleich für einen Seitenhieb gegen Gerhard Pfister.
CVP hätte ausgetanzt
Als Vizepräsidentin der CVP-Fraktion habe Amherd geholfen, «den Parteichef zu disziplinieren». Der Tessiner Parlamentarier gab damit das Stichwort für eine der spannendsten Ausgangslagen der Schweizer Politik im Wahljahr 2019.
Wie arbeitet Pfister als Chef der gebeutelten CVP mit Amherd zusammen, die von ihren Bundesratskollegen zum Start gleich ins ungeliebte VBS geschickt wurde? Was kann die «stille Schafferin» (O-Ton Lombardi) ohne leuthardsche Strahlkraft ausrichten, um der CVP im Oktober bei den Nationalratswahlen eine weitere Schlappe zu ersparen?
Denn im kommenden Herbst entscheidet sich nicht nur das Schicksal von Parteipräsident Pfister: Bricht die Mittepartei an der Urne ein, stünde auch automatisch ihr verbleibender Sitz in der Landesregierung zur Debatte. Dann hätte die ganze CVP ausgetanzt.
Alle kamen zur Walliser Feier – bis auf einen
Mehr Wallis geht nicht: Zur Vorspeise wurde den geladenen Gästen in Brig VS beim Empfang der neuen Bundesrätin Viola Amherd (56) Trockenfleisch serviert, zum Hauptgang gab es Cholera (das ist in diesem Fall nicht die tödliche Krankheit, sondern ein Gemüsekuchen mit Lauch, Kartoffeln, Käse und Äpfeln – eine regionale Spezialität) und zum Dessert ein Aprikosensorbet. Dazu trank die Prominenz Johannisberg Weiss- und Pinot-noir-Rotwein der Stadtgemeinde Brig-Glis.
Diesen Schmaus in der Simplonhalle liess sich niemand entgehen, wer im Rhone-Kanton etwas zu sagen hat. Vielleicht mit einer Ausnahme: Das Walliser Urgestein und Ex-SP-Präsident Peter Bodenmann (66, SP) tauchte in der festlich geschmückten Lokalität nicht auf.
Vermisst hat den Briger Hotelier aber kaum jemand. Im Gegenteil: Wer an politische Verhältnisse in Bundesbern gewohnt ist, erlebte im Oberwallis eine fast schon ausgelassene Stimmung. Schon vergessen schien die Tatsache, dass Amherd zwar Bundesrätin werden wollte, aber keinesfalls Verteidigungsministerin.
Die VBS-Chefin hat am Donnerstagabend auf jeden Fall nochmals richtig Luft geholt für ihren neuen Job in Bern.