Viktor Giacobbo (67) gönnt sich keine Pause. Kaum ist die Tournee mit dem Circus Knie beendet, startet der Satiriker sein nächstes Projekt: den «Polittisch». In gediegenem Ambiente trifft er im Casino Bern Politikerinnen und Politiker zum Talk über Gott und die Welt. BLICK hat ihn vor dem Start am Donnerstag zum Interview getroffen.
BLICK: Mit der Öko-Welle haben wir beinahe schon historische Wahlen erlebt, die Bundesratswahlen stehen unmittelbar bevor. Der Termin für Ihren ersten «Polittisch»scheint perfekt gewählt.
Viktor Giacobbo: Gerne würde ich behaupten, das sei mit einer ausgeklügelten Strategie schon vor Jahren geplant worden. Tatsächlich aber ist es reiner Zufall. Ich mag die Art von Talks: zwar politisch, aber immer auch sehr auf das Gegenüber bezogen. Ich bin neugierig auf die Person – und dann ergibt sich vielleicht ein humorvoller Touch oder eben nicht.
Sie starten mit Gerhard Pfister. Der CVP-Präsident wirkt oft aber eher spröde alshumorvoll. Sie mögen die Herausforderung.
Ich wähle nicht humorvolle Gäste aus, sondern vor allem interessante. Mit seiner Position zwischen links und rechts ist Pfister jetzt praktisch der Königsmacher. Er führt die Partei auf eine coole Art. Mitte-Politiker federn sich sonst ja oft auf alle Seiten hin ab. Das macht er nicht.
Reissen sich Politiker um Auftritte bei Ihnen oder haben sie eher etwas Bammel?
Im Fernsehen hatten wohl alle etwas Angst. Sie mussten jeweils die ganze Sendung im Hintergrund abwarten und traten erst zum Finale auf. Das erhöht den Druck. Beim «Polittisch» gibt es diesen Druck nicht. Das ist gestaltet wie ein ganz normales Gespräch – ohne TV-Kameras.
Vermissen Sie das Fernsehen?
Nein.
Das kam wie aus der Pistole geschossen.
Ich habe fast 30 Jahre lang Fernsehen gemacht. Ein regelmässiges Format ist für mich kein Thema mehr. Das soll SRF jüngeren Talenten geben – und diese vor allem machen lassen.
Sie sprechen die kürzlich kommunizierte Absetzung von «Late Update» mit Michael Elsener an?
Ich selbst hatte mit der SRF-Direktion eine Abmachung: Mir sagt kein direkter Vorgesetzter, was ich inhaltlich satirisch darf und was nicht. Daran hat sich SRF gehalten. Wir hatten die Möglichkeit, einfach mal auszuprobieren. Bei den heutigen Sendungen gibt man diese Zeit nicht mehr.
Mit welchen Folgen?
In einer zu kurzen Zeit kann sich der Rhythmus eines Formats nicht entwickeln.
Michael Elsener hat verschiedentlich angeeckt. Bei FDP bis Juso. War die Absetzungalso auch politisch motiviert?
Diese Frage stelle ich mir auch! Schwierig ist natürlich, wenn man zwei Monate auf Sendung darf und dann wieder zwei Monate lang pausieren muss. Das ging Dominic Deville bisher ja genauso.
Das SRF müsste seinen Protagonisten einfach auch mal etwas machen lassen?
Selber bekam ich die nötige Freiheit. Es wurde damit argumentiert, dass ich auch schon viel Erfahrung hatte – und mit der hohen Quote. Das war für SRF sicher ein starkes Argument.
Ist SRF bei Satiresendungen vorsichtiger geworden? Gibt man schneller nach, wenn Kritik aus politischen Kreisen kommt?
Es entsteht manchmal der Eindruck. Aber nicht nur bei SRF – ich frage mich auch immer wieder, wo die unerschrockene Satire bei Ringier oder Tamedia ist.
Gleichzeitig scheint die sogenannte Political Correctness wieder stärker Einzug zu halten.
Das stimmt. Aber genau das ist für viele Komiker auch ein Ansporn. Wir sind in gewisser Weise sture Kindsköpfe. Auch ich. Wenn es zu viele Vorschriften gibt, «gluschtet» es mich, diese zu verletzen. Das Pendel könnte deshalb irgendwann zurückschlagen. Wenn die jetzige junge Generation einst zu den weissen alten Menschen gehört, wird eine neue Generation kommen, die grosse Lust hat, genau diese Gesetze wieder zu brechen.
Haben Sie sich selbst eine Regel gesetzt, wie weit Ihre Satire gehen darf?
Nein. Ich habe einfach meine persönlichen moralischen Vorgaben. Polit-Satire machst du ja mit einem Standpunkt. Als Komiker kannst du diesen auf eine unterhaltsame Art einbringen.
Was beschäftigt Sie denn gerade am meisten?
Das sind die Themen, die alle beschäftigen: die Klimabewegung, Trump, der Brexit, die Wahlen.
Sie sprechen die Klimastreiks an. Haben Sie auch schon daran teilgenommen?
Nein, das ist nicht so meine Art. Aber ich finde es toll, dass es wieder eine politische Jugend gibt. Eine, die mit sehr viel Pathos an das Thema rangeht – wie man das halt so macht in diesem Alter. Da war ich als Jugendlicher genau gleich. Ich bin in den 68ern politisiert worden und hatte erschreckenderweise auf jede Frage eine Antwort parat.
Die SP sucht gerade einen neuen Präsidenten. Das wäre doch was!
Nein, sorry. Die SP hat mich schon einmal rausgeschmissen. Darum komme ich wohl nicht in Frage.
Sie wurden aus der SP geworfen?
Einige Kollegen und ich waren Mitglieder der SP in Winterthur. Ich war 18 und hatte eine «grosse Schnurre», klopfte revolutionäre Sprüche. Das ist bei der verknöcherten SP von damals gar nicht gut angekommen. Es gab ein Ausschlussverfahren gegen einen Kollegen von mir, ein zweites war für mich vorgesehen. Ich beschloss dann, von mir aus zu gehen. Aus heutiger Sicht würde ich mich wahrscheinlich auch rausschmeissen.
Sie befassen sich stark mit Politik, wollten selber aber nie Politiker werden. Warum nicht?
Viele Politikerinnen und Politiker machen einen Knochenjob. Schon nur all die Aktenberge, durch die sie sich ackern müssen. Bei der blossen Vorstellung schlafen mir die Füsse ein. Und für ein Regierungsamt wäre ich nicht konkordanzkompatibel. Nicht, dass ich nichts von Konkordanz halte. Ich finde sie ja mittlerweile gar nicht mehr so schlecht. Wobei das nicht bedeutet, dass man gewisse Dinge nicht verbessern müsste.
Zum Beispiel?
Eine Regierung mit nur sieben Mitgliedern, das ist heutzutage doch absurd.
Sie sind also ganz auf Linie der SP, die neun Bundesräte fordert.
Ja. Und auch die gesamte grüne Bewegung müsste jetzt einen Sitz im Bundesrat bekommen. Alt Bundesrat Adolf Ogi hat es letztens treffend festgestellt: Fast alle anderen Länder haben mehr Regierungsmitglieder – aber wir meinen immer, wir könntens auch da am besten.
Für Sie kommt der Schritt von der Satire in die Politik nicht in Frage. Gibt es umgekehrt Politiker, die das Zeug zum Satiriker hätten?
Durchaus. Einer der humorvollsten Politiker war der verstorbene Berner Stadtpräsident Alex Tschäppät.
Stellen Sie Unterschiede in Sachen Humor und Selbstironie zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern fest?
Im Grundsatz stimmts schon, dass die Linken empfindlicher sind. Aber es gibt
Ausnahmen – auf beiden Seiten. Was uns bei «Giacobbo/Müller» auffiel: Die SVP ist weniger schnell beleidigt, selbst wenn man sich eine Sendung
lang über sie lustig macht.
Gäbe es also auch Politikerinnen und Politiker, die Sie nicht mehr einladen würden?
Bestimmt. Aber keine Sorge, es gibt schon noch genügend interessante Politiker und vor allem Politikerinnen der jüngeren Generation, mit denen ich als alter weisser Kindskopf einen Talk führen kann.
Er ist der Satiriker der Nation: Viktor Giacobbo (67). Mit seinen Sendungen «Viktors Programm» und «Viktors Spätprogramm» (1990 bis 2002) wurde der gelernte Schriftsetzer berühmt. Von 2008 bis 2016 moderierte er mit Komiker Mike Müller (56) die Politsatire-Show «Giacobbo/Müller». Dieses Jahr tourten die beiden mit dem Circus Knie durch die Deutschschweiz.
Giacobbos nächster Halt ist Bern. Im Anfang Herbst wiedereröffneten Casino lädt er am 5. Dezember zur ersten Ausgabe von «Polittisch». Der zweite Talk findet am 30. Januar statt.
Er ist der Satiriker der Nation: Viktor Giacobbo (67). Mit seinen Sendungen «Viktors Programm» und «Viktors Spätprogramm» (1990 bis 2002) wurde der gelernte Schriftsetzer berühmt. Von 2008 bis 2016 moderierte er mit Komiker Mike Müller (56) die Politsatire-Show «Giacobbo/Müller». Dieses Jahr tourten die beiden mit dem Circus Knie durch die Deutschschweiz.
Giacobbos nächster Halt ist Bern. Im Anfang Herbst wiedereröffneten Casino lädt er am 5. Dezember zur ersten Ausgabe von «Polittisch». Der zweite Talk findet am 30. Januar statt.