Verzögerungstaktik bei Zukunftstechnologie
Sommaruga steht bei 5G auf dem Schlauch

Der Bund kassierte 380 Millionen Franken durch die Versteigerung von 5G-Konzessionen. Doch mit der Anpassung der Strahlenverordung lässt sich das zuständige Departement von Simonetta Sommaruga viel Zeit. Und jetzt will es nochmals Testmessungen durchführen.
Publiziert: 22.04.2020 um 22:12 Uhr
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Aktualisiert: 17.06.2020 um 17:50 Uhr
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Die Schweiz hätte eigentlich einen Vorsprung bei der Anwendung der 5G-Technologie, doch der Bund verspielt ihn.
Foto: Keystone

Die Telekombranche übt harte Kritik am 5G-Entscheid des Bundesrates. Obwohl der Bund auf eine rasche Einführung der fünften Mobilfunktechnologie gedrängt habe, nehme er jetzt einen Rückstand der Schweiz in Kauf, erklärte Sunrise in einem Communiqué. Die 5G-Gegner sind teilweise zufrieden.

Der Bund selber habe ursprünglich aufs Gas gedrückt und die Auktion der Mobilfunkfrequenzen Anfang 2019 durchgeführt trotz des Widerstands von Sunrise und Salt. Die Schweiz habe dann als erstes Land Europas 5G im April 2019 eingeführt. «Und jetzt tritt die Regierung auf die Bremse», sagte Sunrise-Sprecher Rolf Ziebold am Mittwoch auf Anfrage.

Ins gleiche Horn stiess der Präsident des Telekomverbandes Asut, Peter Grütter: Die Schweizer Regierung habe vor drei Jahren eine Digitalisierungsstrategie beschlossen und damit gute Voraussetzungen für Wettbewerbsvorteile geschaffen. Seit 5G setze die Regierung auf Verzögerungen.

Es sei schon seit Jahren bekannt, dass mit der heutigen Strahlenschutzregulierung (NISV) die Emissionen der adaptiven Handyantennen überschätzt würden, sagte Ziebold. Diese strahlen nicht einfach ringsherum wie die bisherigen Mobilfunkantennen, sondern richten ihre Signale gezielt auf den Handynutzer aus. Dafür strahlen sie andernorts weniger, wo kein Nutzer in ihrem Bereich ist.

Bundesrat will weitere Testmessungen durchführen

«Um Transparenz zu schaffen, wie stark die Bevölkerung durch adaptive Antennen tatsächlich belastet wird, sind zunächst Testmessungen notwendig», hat der Bundesrat am Mittwoch entschieden: «Gestützt auf die Ergebnisse der Testmessungen wird das Uvek die Vollzugshilfe erarbeiten. Bis diese vorliegt, sind adaptive Antennen wie konventionelle Antennen zu beurteilen. Damit ist der Schutz der Bevölkerung jederzeit gewährleistet.»

Das stösst Sunrise und Salt sauer auf. «Es ist mir ein Rätsel, warum die zuständigen Behörden nicht bereits im Januar 2019 solche Testmessungen gemacht haben», sagte Salt-Chef Pascal Grieder. «Die Problematik war damals schon bekannt.» Mit dem heutigen Entscheid könne man die Vorteile der adaptiven 5G-Antennen nicht nutzen, weil die Behörden nach bisheriger Methode man davon ausgehen würden, dass die Antennen ständig voll strahlen würden, sagte der Salt-Chef.

«Mit der jetzigen Regelung kann man 5G nicht so ausbauen, dass die volle Leistung zur Verfügung stehen würde», sagte Sunrise-Sprecher Ziebold. Es brauche wenigstens eine rasche und pragmatisch Lösung für adaptive Antennen, um Blockaden von 5G aufzuheben. «Auch heute zeigt der Bundesrat nicht auf, bis wann diese Vollzugshilfsmittel vorliegen werden, was 5G in der Schweiz weiter verzögert.»

Asut-Präsident Grütter sagte: «Ich verstehe nicht, warum bei einer Technologie, die nachhaltiger ist als die bisherige nicht vorwärts gemacht wird.» Bei 5G strahle die Antenne nur dorthin, wo Bedarf bestehe. Zudem sei 5G effizienter bei der Datenübertragung als die bisherigen Mobilfunktechniken.

Keine Hinweise auf gesundheitliche Schäden

Den Schutz der Bevölkerung habe die Telekombranche nie in Frage gestellt. «Wir wollten noch nie auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung eine neue Technologie einführen», sagte Grütter. Die Schweizer Grenzwerte seien weit unter den Grenzwerten der Weltgesundheitsorganisation WHO. Es gebe keine Hinweise auf gesundheitliche Schäden durch 5G.

Dabei habe sich der Bundesrat für seinen heutigen Entscheid bereits fünf Monate Zeit gelassen, sagte Salt-Chef Grieder. Der Bericht der Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung», auf den sich die Regierung abstütze, liege seit November 2019 vor.

Und jetzt plant der Bundesrat nochmals einen neuen Bericht über die Möglichkeiten zur nachhaltigen Ausgestaltung der Mobilfunknetze, den das Uvek bis Ende 2021 vorlegen soll. «Dieser Bericht soll eine bessere Entscheidungsgrundlage auch für zukünftige Mobilfunktechnologien liefern», entschied die Regierung als Antwort auf das Postulat von Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (CVP/TG).

Damit werde jede weitere Diskussion abgeblockt mit dem Hinweis, dass man auf den neuen Bericht warte, kritisierte Salt-Chef Grieder. Das sei schon letztes Jahr beim der Arbeitsgruppe «Mobilfunk und Strahlung» so gewesen. «Die Wahrscheinlichkeit, dass 5G vor Ende 2022 vorwärtskommt ist unwahrscheinlich.»

Beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) hiess es, die Vollzugshilfe solle bis Ende 2020 vorliegen. Wegen des Widerstands von einigen Kantonen und aus Teilen der Bevölkerung sollen die Testmessungen die nötige Transparenz über die real zu erwartende Exposition der Bevölkerung durch adaptive Antennen schaffen.

Departement Sommaruga will Polarisierung entgegenwirken

«Aus Sicht des Uvek steht derzeit im Vordergrund, einer weiteren Polarisierung der Diskussion entgegen zu wirken. Die Empfehlungen im Bereich der adaptiven Antennen sind deshalb umsichtig vorzubereiten», sagte Bafu-Sprecherin Rebekka Reichlin.

Zufriedener reagierte der Verein für Strahlenschutz auf die Beschlüsse des Bundesrates. Es sei erfreulich, dass die Landesregierung den Vorsorge- und Schutzgedanken auch in Bezug auf 5G weiterhin aufrechterhalte und die Bedenken der Bevölkerung in ihre Entscheide mit einbeziehe, hiess es in einer Mitteilung.

Begrüsst wird die Schaffung einer umweltmedizinischen Beratungsstelle. In den letzten Monaten hätten sich «unzählige Menschen» mit dem Verein in Verbindung gesetzt, weil sie unter grossen gesundheitlichen Problemen litten, die nachweislich auf Mobilfunkbelastung zurückzuführen sei.

Die vom Bundesrat beschlossene Übergangsregelung, wonach adaptive wie konventionelle Antennen zu beurteilen seien, bedauert der Verein jedoch. Diese Übergangsregelung schütze nicht vor einer Überschreitung der Grenzwerte. (SDA)

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