Seit die Gewerkschaften nicht mit dem Bundesrat über die Lohnschutzmassnahmen verhandeln wollen, ist der Abschluss des Rahmenabkommens mit der EU in weite Ferne gerückt. Die Parteipräsidenten von SP, CVP und FDP plädieren offen für einen Marschhalt in den Verhandlungen, SVP-Chef Albert Rösti (51) verlangt gar den kompletten Abbruch. Doch Aussenminister Ignazio Cassis (57) kümmert das alles nicht.
Der Tessiner präsentierte am Freitag der aussenpolitischen Kommission des Ständerats (APK-S) seinen Fahrplan in Sachen Rahmenabkommen. Und der trägt dem innenpolitischen Chaos kaum Rechnung. Cassis will vorwärts machen. Bis Mitte September wolle der Bundesrat der EU einen Vertragsentwurf unterbreiten, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Bereits einen Monat später soll der EU-Ministerrat über den Vorschlag aus der Schweiz entscheiden.
Doch ein Treffen zwischen Schneider-Ammann und Rechsteiner
Die ambitionierte Agenda von Cassis überrascht. Zumal neben den Lohnschutzmassnahmen noch weitere Streitfragen ungeklärt sind. Immerhin: Am Donnerstag trafen sich die Streithähne Johann Schneider-Ammann (66) und Gewerkschaftsboss Paul Rechsteiner (65) doch noch zu einem Gespräch. Die Unterredung habe jedoch wenig überraschend nichts Zählbares ergeben, wie die «NZZ» berichtet.
Vielleicht lässt sich der rasante Fahrplan des Aussenministers aber auch damit erklären, dass Cassis einem allfälligen Scheitern der Verhandlungen gelassen entgegen sieht, wie er der APK-S gegenüber signalisierte. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, erzählte Cassis gewohnt freimütig, dass der Bundesrat «heterogen» zum Rahmenabkommen stehe, dass innerhalb der Landesregierung kein Konsens herrsche.
Cassis amüsiert es, die Medien zu verunsichern
Mit seinen Äusserungen im Juni, Anpassungen bei den flankierenden Massnahmen in den Verhandlungen mit der EU in Kauf nehmen zu wollen, hatte Cassis den Zorn der Gewerkschaften auf sich gezogen. Der Bundesrat pfiff seinen Aussenminister daraufhin zurück und beauftragte Schneider-Ammann damit, die Wogen mit den Arbeitnehmervertreter zu glätten – bislang ohne Erfolg.
Der Urheber der Auseinandersetzung beobachtete derweil aus der zweiten Reihe, wie die innenpolitischen Fetzen flogen. In einer Reportage der «Schweizer Illustrierten» während seiner Indien-Reise zeigte sich Cassis unbeeindruckt über das Geschehene. Seine Aussagen zum Lohnschutz würde er «tel quel wiederholen». Und es amüsiere ihn, wie er die Medien verunsichere. (duc)