Versicherungsexperte über das Sozialschnüfflergesetz
«Ich rechne mit weniger Observationen»

Bruno Sommer leitet die Missbrauchsbekämpfung der Mobiliar. Bei den Detekteien sei es zu einem Wildwuchs gekommen, sagt er.
Publiziert: 02.04.2018 um 22:23 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 17:39 Uhr
Bruno Sommer von der Mobiliar: «Es gibt etwa zehn seriöse Detekteien.»
Foto: zvg
Interview: Reza Rafi

Das Gesetz zu den Sozialdetek­tiven dürfte Sie freuen: Ihr ­Kompetenzzentrum XpertCenter wird noch mehr Beschattungen durchführen können als vor dem Strassburger Urteil 2016.
Bruno Sommer:
Im Gegenteil, ich rechne mit weniger Observationen.

Weshalb?
Das Gesetz sieht eine Rechenschaftspflicht der Versicherer vor. Das bedeutet, dass den Versicherten noch detaillierter als früher und zwingend begründet werden muss, warum sie beschattet worden sind. Jede Versicherung wird es sich aus diesem Grund zweimal überlegen, bei einem Verdachtsfall einen Detektiv zu engagieren.

Sie werden also personell nicht aufstocken müssen?
Nein, denn wir beschäftigen so­wieso keine Detektive direkt, sondern arbeiten mit Partnern zusammen.

Die Überwachungsberichte sind die Grundlage für einen Entscheid, ob eine ­Versicherung zahlen muss. Wie seriös sind Schweizer Detektive?
Es gibt etwa zehn grössere Schweizer Detekteien, mit denen die Versicherungen verlässlich zusammenarbeiten.

Gibt es keine schwarzen Schafe?
Die Branche ist selbstregulierend. Wer unseriös arbeitet, kann sich nicht halten. Es kam nach 2009 ­jedoch zu einem Wildwuchs in der Branche.

Weshalb?
Das war nach der 5. IV-Revision, als die Observationen zum ersten Mal im Bereich der Sozialversicherung gesetzlich bewilligt wurden. Detektivkanzleien schossen damals wie Pilze aus dem Boden. Mittlerweile hat sich das Feld bereinigt.

Nach dem Urteil des Europä­ischen Gerichtshofes für Menschenrechte wurden die Überwachungen eingestellt. Haben Sie deswegen Verfahren am Hals?
Ich will klarstellen: Die Strassburger Richter haben die Überwachungen nicht als illegal gewertet, sondern festgestellt, dass eine gesetzliche Grundlage fehlt, die klar regelt, wie weit die Observationen gehen dürfen. Das wird jetzt nachgeholt. Im konkreten Fall, der am 16. Oktober 2016 zum Strassburger Urteil führte, wurde die Observation verwendet!

Sie gehören zur Mobiliar-Versicherung, erstellen aber ­Berichte in Streitfällen zwischen Versicherung und Versicherten. Ist das nicht ein Interessen­konflikt?
Nein. Wir sind ein Kompetenz­zentrum im Schadenleistungs­management: Wenn wir für die Unfallversicherung tätig sind, haben wir eine öffentlich-rechtliche Funk­tion. Und an den Detektiv­arbeiten, die wie bereits erwähnt von Partnerfirmen erledigt werden, verdienen wir nichts; wir geben die Rechnungen eins zu eins weiter.

In den Parlamentskommissionen haben drei Rechtsprofessoren jedoch das Gesetz massiv kritisiert.
Dabei handelt es sich ebenfalls um Lobbying. Diese Juristen wurden von Anwälten von Versicherten aktiviert. Sie haben übrigens bereits früher im Gesetzgebungsprozess mitwirken können als unsere ­Seite.

Nun sind in der geplanten Regelung noch diverse Punkte unklar.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen wird im Namen des Bundesrats die Eckpunkte erst festlegen müssen: Wie definiert sich ein Verdachtsmoment? Wie weit dürfen Observationen gehen? Wo wird die Grenze gezogen? Ich rechne damit, dass das in die Vernehmlassung geschickt werden wird, damit sämtliche Interessengruppen mitreden können.

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