Mit dem jährlichen Verlagerungsbericht gibt der Bundesrat Rechenschaft darüber ab, inwiefern er das Verlagerungsziel von maximal 650'000 Lastwagenbewegungen über die Alpen umsetzt. Wie in den Vorjahren wurde das Ziel auch 2020 weit verfehlt. Mit 863'000 Lastwagenbewegungen lag der Wert über 30 Prozent über der erlaubten Schwelle.
Der Bundesrat spricht dennoch von «weiteren Fortschritten» in den vergangenen Jahren. Der Anteil der Schiene sei auf den höchsten Stand seit 25 Jahren gestiegen. Dies zeige, «dass die Instrumente und Massnahmen der Verlagerungspolitik greifen». Zu diesen gehörten die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (Neat), die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) und die Bahnreform.
«Noch nicht dort, wo wir sein sollten»
Um die Lastwagentransporte durch die Alpen weiter zu reduzieren, müsse dennoch mehr getan werden, sagte Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga. «Wir sind noch nicht dort, wo wir sein sollten.»
Ansetzen will der Bundesrat insbesondere beim Binnen-, Import- und Exportverkehr. Hier besteht laut Sommaruga noch «beträchtliches Verlagerungspotenzial». Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) soll beispielsweise bis Mitte 2023 darlegen, wie die LSVA weiterentwickelt werden soll. Sie strebe «eine schrittweise Neuorientierung der LSVA gemäss CO2-Ausstoss der Fahrzeuge» an, schreibt die Landesregierung.
Ansetzen will der Bundesrat auch bei der Rollenden Landstrasse (Rola). Mit diesem System werden pro Jahr zwischen 80'000 und 90'000 ganze Lastwagen auf der Schiene transportiert. Die Ende 2023 auslaufende Finanzierung soll laut Bundesrat bis 2028 verlängert werden. Ende 2028 soll die Rola dann eingestellt werden.
Mit dem nächsten Verlagerungsbericht will der Bundesrat zudem analysieren, wo es entlang des Nord-Süd-Korridors ungenutztes Verlagerungspotenzial gibt.
Alpeninitiative fordert Taten statt Worte
Dem Verein Alpeninitiative, dem das Verlagerungsziel zu verdanken ist, geht das nicht weit genug. Er fordert Taten statt Worte:
- Verlagerungsziel für Import-, Export- und Inlandgüterverkehr: Die Schweizer Wirtschaft verursache über 500'000 der alpenquerenden Lastwagenfahrten. Nur gerade 41 Prozent der registrierten Fahrten entstammen aktuell noch dem Transitverkehr. Entsprechend braucht es nebst dem existierenden Verlagerungsziel für alpenquerende Fahrten neu auch für den gesamten Import-, Export- und Inlandtransport ein ambitioniertes und verbindliches Verlagerungsziel für den Anteil des Schienengüterverkehrs.
- Verursachergerechte LSVA: Heute trage die Lastwagenbranche jährlich eine Milliarde LSVA-Franken zu den verursachten externen Kosten an Luftverschmutzung, Lärm, Klima, Natur- und Landschaft, Unfällen und Stauzeit bei. 1,35 Milliarden Franken bleibt sie jährlich schuldig. Anstatt dass die Allgemeinheit die Zeche bezahlt, müssen diese Kosten in den LSVA-Abgaben internalisiert werden. Das Stimmvolk hatte im Rahmen der Abstimmung zur Einführung der LSVA 1998 viel höheren Abgaben zugestimmt.
- Innovationen im Güterverkehr: Der Bundesrat muss ambitionierte Neuwagen-Flottenziele zur Senkung der CO2-Emissionen für Lastwagen im Gesetz verankern. Zudem müsse er Innovationen im Güterverkehr fördern, wie etwa kranbare Sattelauflieger und einheitliche automatische und digitalisierbare Kupplungen.
Die von der Alpeninitiative lancierte Volksinitiative «zum Schutze des Alpengebietes vor dem Transitverkehr» war im Jahr 1994 durch Volk und Stände angenommen worden. Später verabschiedete das Parlament auf der Grundlage des neuen Verfassungsartikels ein Gesetz, dessen Zielwert spätestens 2018 hätte umgesetzt werden sollen. «Es gibt kein Gesetz, das in der Schweiz derart massiv mit Füssen getreten wird wie das Verlagerungsgesetz», so die Alpen-Initiative.
(SDA/sf)