National-konservative Politiker sind zurzeit im Aufwind. In Russland regiert Wladimir Putin, in den USA bald Donald Trump. Norbert Hofer hat in Österreich die Wahl zwar knapp verpasst. Doch Marine Le Pen in Frankreich, Frauke Petry in Deutschland und Geert Wilders in den Niederlanden warten auf ihre Chance.
Sie alle teilen gemeinsame Ziele: Sie wollen weg von der EU und überhaupt von Staatengemeinschaften. Sie fordern mehr Nationalstolz und Unabhängigkeit. Dank Trumps Erfolg wittern sie Siegesluft.
Auch in der Schweiz wittert man dank Trump neue Chancen. So könnte das Land wieder zwischen Ländern vermitteln, wie früher zur Zeit des Kalten Kriegs. Das wünscht sich zumindest SVP-Nationalrätin Yvette Estermann. Dazu will sie nächstens zwei Motionen einreichen, wie die «Luzerner Zeitung» schreibt.
Die erste Motion will Russland vom Bann der Sanktionen befreien. Die «zerstörerische Sanktionspolitik» der EU helfe in der Sache gar nichts, schade sowohl Russland als auch der Union und treffe immer die Falschen, ist Estermann überzeugt.
Die Schweiz könne einen wichtigen Beitrag leisten, um die «allgemeine Kriegshysterie» gegen Russland zu beenden. «Als neutrales Land und Nicht-EU-Mitglied ist die Schweiz geradezu prädestiniert, im Interesse des Friedens in Europa als Vermittlerin aufzutreten», steht im Vorstoss weiter.
Trump und Putin Hand in Hand
Die zweite Motion weckt nostalgische Gefühle. Estermann will, dass sich die Schweiz für ein «freundschaftliches Treffen zwischen Russland und den USA in Genf» einsetze. Sie wisse aus ihrer Jugend, wie viele Hoffnungen die Menschen in solche Ereignisse setzten, sagt die gebürtige Tschechin. Erinnerungen werden wach an das Treffen zwischen Ronald Reagan und Michail Gorbatschow 1985 in Genf.
Nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump sei die Gelegenheit gekommen, einen Neuanfang zu wagen, so die Luzerner Nationalrätin. Die Schweiz solle dabei ihre guten Dienste anbieten, um den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen und eine neue Ära der internationalen Beziehungen einzuläuten.
Die Kritik an Estermanns Vision einer weltpolitisch starken Schweiz lässt nicht lange auf sich warten und kommt ausgerechnet aus der Stadt, die in Estermanns Motion die Hauptrolle spielt.
Der Genfer Sozialdemokrat Carlo Sommaruga sieht überhaupt keinen Grund, sich einem Land gegenüber konziliant zu zeigen, in dem die Demokratie mit Füssen getreten werde. Die Annexion der Krim stelle eine krasse Verletzung internationalen Rechts dar, dazu komme die Destabilisierung der Ukraine und die Bombardements der russischen Luftwaffe in Syrien.
Russlands Hacker
Angesichts dessen müsse die Schweiz auf ihre Werte pochen und dafür sorgen, dass sie nicht zur Umgehung der Sanktionen missbraucht werde. Selbstverständlich brauche es einen Dialog mit Russland, so Sommaruga, doch anders als im Kalten Krieg sei dazu kein Vermittler mehr nötig, betont er in der «Luzerner Zeitung».
Heute hätten die Staatschefs der USA und Russlands jede Menge Gelegenheiten, sich zu treffen und miteinander zu reden. Sie nutzten diese auch regelmässig – etwa am Weltwirtschaftsforum in Davos oder bei der Uno in New York. «Frau Estermann hat nicht verstanden, dass wir in einer anderen Welt leben», urteilt der Genfer.
Vielleicht lässt nicht die Tatsache, dass sich die Welt verändert hat, Estermanns Motionen scheitern. Vielleicht sind es die USA selbst, die Estermanns Pläne versenken werden. Diese Woche gaben führende republikanische Senatoren gegenüber der «Washington Post» bekannt, dass sie eine Untersuchung einleiten werden.
Ziel der Untersuchung: Herausfinden, ob Russland die Präsidentschaftswahlen manipulierte und welche Gefahr Russlands Hacker für die US-Streitkräfte bedeuten. Der Republikaner Lindsey Graham ist überzeugt, dass Russland immer aktiver in den USA werde, ohne den Preis dafür zahlen zu müssen.
«Ich werde Russland ins Visier nehmen, wo ich nur kann. Ich denke, Russland hat sich in die Wahlen eingemischt, und ich will persönlich, dass Putin den Preis dafür bezahlt.» Das wird weder Trump noch Estermann gefallen. (shu)