Die Wahlen vor einem Jahr liessen sich mit einem Wort zusammenfassen: Rechtsrutsch. Im Nationalrat verfügen SVP und FDP seither über eine Mehrheit rechts der Mitte.
Heute aber ist die Atmosphäre zwischen den beiden Parteien vergiftet: Das wichtigste Geschäft der Legislatur – die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative – treibt einen Keil in die bürgerliche Phalanx. Die SVP wirft den Freisinnigen vor, sie hintertreibe den Volkswillen, weder die Vorschläge von FDP-Nationalrat Kurt Fluri (61, SO) noch jene von Ständerat Philipp Müller (64, AG) kämen dem Verfassungsauftrag nach.
«Die FDP verhält sich undemokratisch»
Seit dieser Woche ist die Beziehung SVP–FDP auf dem absoluten Tiefpunkt. SVP-Nationalrat Lukas Reimann (34, SG) würde die Bande zur FDP am liebsten endgültig kappen. «Die FDP verhält sich undemokratisch», ätzte Reimann. «Mit undemokratischen Parteien darf es keine Zusammenarbeit geben.» Damit spielt der Präsident der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns) auf die Diskussion in der Staatspolitischen Kommission (SPK) des Nationalrats an, die am Donnerstag bis in die Nacht hinter verschlossenen Türen das Geschäft verhandelte.
Die SPK wird erst morgen Montag informieren – doch beide Kammern, National- und Ständerat, werden der SVP nicht entgegenkommen. Stattdessen ist der Freisinn eine denkwürdige Allianz mit der Linken eingegangen. Die SP unterstützt mit grossem Jubel die freisinnigen Pläne für einen Inländervorrang, die Meldepflicht gegenüber den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) bei offenen Stellen und die Pflicht für Firmen, arbeitslose Inländer zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen.
«Der Freisinn wird zum Schwachsinn», giftelt SVP-Rechtsaussen Andreas Glarner (54, AG). Glarners Aversion geht so weit, dass er bei künftigen Wahlkämpfen in Solothurn «jeden Kandidaten unterstützen werde, ausser Kurt Fluri». Er würde, sagt Nationalrat Glarner, «sogar einem Sozi eine private Wahlkampfspende zukommen lassen».
Privater Rachefeldzug gegen die SVP
«Weltwoche»-Chef und Nationalrat Roger Köppel (51) griff zum publizistischen Holzhammer und hievte Philipp Müller als dümmlichen Mad auf das Cover seines Blattes. Hier liegt für viele Freisinnige der tiefere Grund der Fehde: verletzte Egos auf beiden Seiten.
In Bern heisst es, Philipp Müller führe einen privaten Rachefeldzug gegen die SVP. Zu schmerzhaft seien manche Schlagzeilen von Köppels «Weltwoche» gewesen.
Auf der anderen Seite sind die linksliberalen FDPler um Kurt Fluri, die gar nie ein Zusammengehen mit der SVP suchten und denen der Bruch herzlich egal ist. Daran können auch jene Stimmen in beiden Lagern nichts ändern, die in den neu gewählten Parteispitzen die Verkörperung eines rechten Aufbruchs vermuteten: Albert Rösti (49) und Petra Gössi (40) stehen sich nicht nur auf dem Papier politisch nahe, zwischen ihnen gibt es auch keine Verletzungen aus der Zeit der Verwerfungen um alt Bundesrat Christoph Blocher (76).
Doch auch die Präsidenten können das Verhältnis der beiden Parteien derzeit nicht entspannen. Das Wort haben die Scharfmacher. Es regiert der Hass.