Der Bundesrat soll vorwärtsmachen. Die laufenden Sondierungsgespräche seien rasch abzuschliessen. Bis im Sommer sollen die konkreten Verhandlungen mit Brüssel starten.
Nur so sei es realistisch, dass die Verhandlungen zu dem Vertragspaket inklusive der institutionellen Fragen «noch in der laufenden Amtszeit der EU-Kommission abgeschlossen werden können». Das steht in der Konsultationsantwort der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates (APK-N)auf den im Dezember als Entwurf vorgelegten Europabericht des Bundesrates. Die EU-Kommission ist bis Herbst 2024 im Amt.
Die APK-N verabschiedete ihre Position mit 18 zu 7 Stimmen und ohne Enthaltung. Es sei eine Premiere, dass sich die Vertreterinnen und Vertreter fünf der sechs Fraktionen hinter die Position stellten, sagte Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) am Montagabend in Bern vor den Medien. Nur die SVP-Delegation schloss sich nicht an.
Speziallösungen sollen Interessen wahren
Die Mehrheit unterstütze den vertikalen Paketansatz des Bundesrates, sagte Portmann. Mittragen will die Mehrheit auch, dass der Bundesrat auf institutionelle Anliegen der EU eingehen und vitale Interessen der Schweiz thematisieren will. Bei Unionsbürgerrichtlinie, Lohnschutz und staatlichen Beihilfen könnten mit Spezifikationen die Interessen der Schweiz gewahrt werden, sagte Portmann dazu.
Die Mehrheit wolle dem Bundesrat beim Verhandeln mit Brüssel den Rücken stärken. Gleichzeitig wolle sie die Sozialpartner auffordern, die anstehenden Verhandlungen konstruktiv zu unterstützen. Thesen von einer Einverleibung der Schweiz in die EU nannte Portmann «unwahr».
«Dokument der Kapitulation und der Unterwerfung»
Genau in diesem Punkt hakt aber die Minderheit - die SVP - ein. Die von der Mehrheit verabschiedete Antwort sei ein Dokument der Kapitulation und der Unterwerfung, sagte Roger Köppel (ZH). Der Souverän in der Schweiz dürfe nicht entmachtet werden. «Auch nicht scheibchenweise.»
In der Position der Mehrheit werde die institutionelle Anbindung der Schweiz mit fremden Gesetzgebern und Gerichtsinstanzen ausgeblendet, machte Köppel geltend. Die Schweiz müsse sich von der EU nicht unter Druck setzen lassen.
Köppel erinnerte an die vom österreichischen Präsidenten Alexander Van der Bellen zugesicherte Unterstützung. Vergangene Woche hatte er beim Besuch von Bundespräsident Alain Berset in Wien der Schweiz Unterstützung bei der Teilnahme am Forschungsprogramm Horizon Europe zugesichert und die EU-Politik gegenüber der Schweiz kritisiert.
EU-Politik des Bundesrats parlamentarisch absichern
Mit einer 2022 eingereichten Motion fordert die APK-N, dass das Parlament bei Europaberichten künftig mitreden und -entscheiden soll. «Das würde die Stossrichtung des Bundesrates für die Verhandlungen parlamentarisch absichern», schreibt sie dazu. Die Motion wurde in den Räten noch nicht behandelt.
Die APK-Mehrheit findet, dass die Landesregierung dem Parlament «mindestens einmal pro Legislatur» einen Europabericht zustellen sollte. Das soll eine «fortwährende demokratische Debatte» über das Verhältnis der Schweiz zu ihren Nachbarländern ermöglichen.
Eine kleinere Mehrheit der Kommission ist der Auffassung, dass im Bericht des Bundesrates Antworten zur künftigen Rolle der Schweiz in der EU und auf dem europäischen Kontinent grösstenteils fehle. Sie beschloss mit 13 zu 9 Stimmen und mit 3 Enthaltungen, den Bundesrat mit einer entsprechenden Ergänzung zu beauftragen.
Einfluss der Schweiz schwinde
Der Einfluss der Schweiz schwinde, weil sie immer mehr EU-Recht übernehmen müsse, ohne mitzubestimmen, schrieb die Kommission. Die Guten Dienste seien «nicht mehr gefragt», und «mit der Neutralität schaffen wir immer mehr Unverständnis». Auch der Einfluss der Schweiz in internationalen Organisationen nehme ab.
Die APK-N diskutierte über den Entwurf der «Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz-EU», den der Bundesrat Anfang Dezember vorgelegt hatte. Die Schwesterkommission des Ständerates hat ihre Stellungnahme für Anfang Februar angekündigt. Nach der Konsultation will der Bundesrat den Bericht definitiv verabschieden.
Die Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen mit Brüssel hatte der Bundesrat im Mai 2021 abgebrochen. Im Entwurf für den neusten Europabericht kam er zum Schluss, dass der bilaterale Weg für die Schweiz weiterhin die vorteilhafteste Lösung sei. (SDA)