Ohne Gegenstimme beschlossen die Delegierten der SVP gestern Samstag im herbstlichen Unterägeri ZG ein Ja zur Selbstbestimmungs-Initiative. Am 25. November stimmt das Volk über das Anliegen der Rechtspartei ab. Das Begehren fragt, vereinfacht gesagt, was in der Schweiz höher gewichtet werden soll: Landes- oder Völkerrecht?
Die Reden der SVP-Granden gaben einen Vorgeschmack auf den Abstimmungskampf, der dem Land in den nächsten Monaten bevorsteht. «Die weltweit einmalige direkte Demokratie, um die uns so viele Menschen beneiden, wollen wir jetzt abschaffen, liquidieren, auf dem Misthaufen entsorgen», rief der Zürcher Nationalrat Thomas Matter (52). Seine Bündner Kollegin Magdalena Martullo-Blocher (49) erklärte: Die Wirtschaft «braucht kein ausländisches Recht». Und Parlamentarier Roger Köppel (53) giftelte, die «Gegner» des Schweizer Volkes sässen nicht in Brüssel, sondern «in den anderen Parteien, in der Verwaltung und im Bundesrat».
Abstimmung wurde zur Chefsache erklärt
Was unter dem lauten Getöse unterging – oder vielleicht sogar untergehen sollte: Der Mann, dem die Wähler diesen Urnengang überhaupt erst verdanken, war gestern in der Aegerihalle gar nicht anwesend. Hans-Ueli Vogt (48), Rechtsprofessor und Nationalrat, war es gewesen, der im Februar 2013 SVP-Patron Christoph Blocher (77) einen Brief geschrieben hatte mit der Idee, ein solches Anliegen zu lancieren. Seither gilt Vogt richtigerweise als Vater der Selbstbestimmungs-Initiative.
Nun aber, da es richtig losgeht, sitzt Vogt in seinem Appartement in einem Hochhaus in Zürich West statt bei der Delegiertenversammlung. «Ich verreise am Sonntag – nachdem ich den Sommer über gearbeitet habe – in die Ferien und muss bis dahin noch vieles erledigen», sagt er zu SonntagsBlick.
Die Reisevorbereitungen sind aber höchstens ein Teil der Wahrheit. Vogt wurde von der SVP-Parteispitze offensichtlich abserviert, die Abstimmung zur Chefsache erklärt. Jetzt leitet Parteileitungsmitglied Thomas Matter die Kampagne. An vorderster Front steigt auch Vizepräsidentin Magdalena Martullo-Blocher in die Hosen – denn die allermeisten Firmen bekämpfen das Anliegen vehement. Die Unternehmerin will aufzeigen, dass das Volksbegehren der Wirtschaft nicht schadet.
Einen Scherz auf Kosten des abwesenden Vogt konnte sich Matter gestern nicht verkneifen. «Der einzige Vogt, der uns sympathisch ist, ist unser Nationalrat Hans-Ueli Vogt», meinte er. Wohlwissend, dass der Genannte keine zentrale Rolle im Abstimmungskampf mehr spielen wird.
Hans-Ueli Vogt: «Habe noch anderes zu tun»
Nach aussen hin hat sich Vogt mit seiner Nebenrolle abgefunden. «Ich werde mich im Abstimmungskampf engagieren, wie viele meiner Parteikollegen auch», sagt er. Er habe bereits zu zahlreichen Vorträgen und Podien zugesagt. Um anzufügen: «Wobei ich selbstverständlich eine Auswahl treffen muss. Neben dem Abstimmungskampf habe ich noch anderes zu tun.»
Aber warum hat die Parteiführung den Professor einfach so abserviert? Den Grund lieferte Köppel am Anlass gleich selber. Für den SVP-Mann muss die Partei die Abstimmung im November unbedingt gewinnen. Sonst würden den Gegnern erst recht Argumente geliefert, weshalb in der Schweiz künftig internationale Verträge und Abkommen höher gewichtet würden als nationale Volksentscheide. Zudem würde die Partei geschwächt ins wichtige Wahljahr 2019 starten, so die Position des Blocher-nahen Köppel.
Für die SVP geht es in diesem Herbst aus parteipolitischer Optik um viel. Das reichte den Parteioberen, um den intellektuellen, oft etwas unnahbaren und wenig volkstümlichen Vogt im Abstimmungskampf ins zweite Glied zu beordern.