SonntagsBlick: Mister Beyer, Sie waren zeitgleich mit Donald Trump in Davos. Wie haben Sie seinen Besuch erlebt?
Don Beyer: Jetzt muss ich mich von meiner besten Seite zeigen (lacht)! In den USA widersetze ich mich meistens. Meine politischen Überzeugungen, die Überzeugungen meiner Demokratischen Partei und, so glaube ich, die Überzeugungen der meisten Amerikaner, stehen im Gegensatz zu Trumps Agenda.
Die da wäre? In seiner Davoser Rede klang Trump beinahe versöhnlich.
Nehmen Sie nur die Wirtschaft: Er brach alle Verhandlungen über Freihandelsabkommen ab. Er verabschiedete sich vom Pariser Klimaabkommen. Er behauptete, der Treibhauseffekt sei ein Scherz, erfunden von den Chinesen. Und dann fährt er ans WEF, an dem alle Teilnehmer, die Politiker und Wirtschaftsführer, den globalen Handel fördern, der Dritten Welt helfen und den Klimawandel bekämpfen wollen.
Er passte nicht nach Davos?
Trumps Ziel ist die Isolation. Unser Land soll weniger Flüchtlinge aufnehmen, die Zuwanderung um 40 Prozent senken. Er will sogar 800’000 Minderjährige, die ihr ganzes Leben in den USA verbracht haben, aus dem Land werfen!
Wenn Sie sagen, dass eine Mehrheit der Amerikaner Trumps Politik nicht unterstützt: Warum hat sie ihn dann gewählt?
Nun, gehen wir einmal davon aus, dass diese Wahl wirklich fair verlaufen ist, ohne Einflussnahme der Russen. Dann erkennt man, dass es Trump gelang, die verunsicherten Wähler in vier Staaten zu erreichen: Pennsylvania, Ohio, Wisconsin und Michigan.
Staaten, die lange die Demokratische Partei wählten.
Genau! Das waren Staaten mit starken Gewerkschaften. Doch eben diese Menschen fühlten sich übergangen. Die Globalisierung und der technische Fortschritt gingen am ländlichen Amerika und an den kleinen Städten vorbei.
War Hillary Clinton die richtige Kandidatin?
Sie war besser auf den Job der Präsidentin vorbereitet als irgendjemand sonst. Aber sie schaffte keine emotionale Verbindung zu diesen Menschen. Sie mochten sie einfach nicht.
Also hat Ihre Partei die falsche Kandidatin ins Rennen geschickt.
Das ist wahr. Wäre sie 2008 nominiert worden, hätte sie womöglich John McCain geschlagen. Da wir noch nie eine Präsidentin hatten, war es aber 2016 schwer, ihr die Nomination zu verweigern: einer unglaublichen Frau mit einem tollen Leistungsausweis.
Clinton setzte sich gegen den Linken Bernie Sanders durch. Hätte er Trump geschlagen?
Ich denke eher nicht. Er ist ein Aussenseiter, ein Sozialdemokrat. Und fällt in den USA das Wort Sozialismus, ist man in einer Wahl erledigt. Hillary hatte immerhin das Establishment auf ihrer Seite.
Welches Profil muss der nächste Präsidentschaftskandidat der Demokraten haben?
Langsam zeichnen sich mögliche Kandidaturen ab. Es sind keine berühmten Personen, die meisten Mitte-links orientiert. Der bekannteste ist Obamas Vizepräsident Joe Biden. Er wäre wunderbar – aber mit Abstand der älteste Präsident, den wir je hatten. Meine Hoffnung für die nächsten drei Jahre ist, dass ein Heiler auf der demokratischen Seite hervortritt. Jemand, der uns wieder zusammenbringen kann.
Ein Heiler? Das klingt jetzt eher verzweifelt.
Es braucht einen Kämpfer, um Trump zu schlagen. Aber das Land braucht einen Heiler.
War das nicht der Anspruch von Barack Obama?
Obama wollte diese Person sein. Ich denke nicht, dass es funktioniert hat. Vielleicht weil er Afroamerikaner, vielleicht weil er zu gebildet ist.
Immer wieder ist die Rede von einer einzigartig tiefen Spaltung der amerikanischen Gesellschaft. Stimmt dieser Eindruck von aussen?
Das Land ist nicht zum ersten Mal stark polarisiert. Denke ich an die späten 60er-Jahre zurück, habe ich den Eindruck, dass an jedem Familientisch über den Krieg in Vietnam gestritten wurde – die junge Generation gegen ihre Eltern. Wir waren gespalten in der Frage der Frauenbewegung. Und die Rassenfrage war immer schwierig. Hier haben wir viel erreicht. Aber einer der traurigsten Aspekte von Trumps Präsidentschaft ist, dass er uns in dieser Frage zurückgeworfen hat.
Sie haben kürzlich persönlich dafür gestimmt, der Regierung den Geldhahn zuzudrehen. Hat nicht auch Ihre Opposition eine Verantwortung für den Erfolg der USA in den nächsten drei Jahren?
Das stimmt. Liegt der Präsident richtig, müssen wir ihn unterstützen. Wir Demokraten freuen uns über zum Beispiel die Ernennung einiger guter Leute in Trumps Regierung.
Glauben Sie, er tritt 2020 nochmals an?
Ich weiss es nicht. Es gab den Versuch, ihn wegen seiner vielen Beleidigungen aus dem Amt zu entfernen. Ich habe dagegen gestimmt. Wenn er je abgesetzt wird, dann wegen eines tatsächlichen Verbrechens gegen das Land und nicht wegen seiner schrecklichen Tweets.
Wie ist Trump eigentlich im persönlichen Umgang?
Ich war nur ein paar Mal mit ihm in einem Raum. Sagen wir es so: Was dich nicht umbringt, macht dich stärker.
Donald Sternoff Beyer Jr. kam 1950 in Italien als Sohn eines US-Soldaten zur Welt. In den 80er-Jahren stieg er in den elterlichen Automobilhandel ein; 2009 ernannte Barack Obama (56) den Demokraten zum Botschafter der USA in der Schweiz und Liechtenstein. 2013 verliess Beyer diesen Posten. Im Jahr darauf wählten ihn die Bürger seines Distrikts in Virginia in den Kongress.
Donald Sternoff Beyer Jr. kam 1950 in Italien als Sohn eines US-Soldaten zur Welt. In den 80er-Jahren stieg er in den elterlichen Automobilhandel ein; 2009 ernannte Barack Obama (56) den Demokraten zum Botschafter der USA in der Schweiz und Liechtenstein. 2013 verliess Beyer diesen Posten. Im Jahr darauf wählten ihn die Bürger seines Distrikts in Virginia in den Kongress.