US-Botschafterin Suzan LeVine (46) über die wirtschaftliche und politische Bedeutung unseres Landes
«Die Schweiz ist der wichtigste Investor in den USA»

Im Interview mit BLICK verrät die Botschafterin der USA in der Schweiz, Suzan LeVine, dass das Schweizer System der Berufsbildung in ihrer Heimat auf grosses Interesse stösst. Und dass Schweizer Investitionen in den USA sehr schnell wachsen.
Publiziert: 07.02.2016 um 20:14 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 04:20 Uhr
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«Jeder Tag, den ich hier verbringen kann, ist für mich eine Ehre.»
Foto: Peter Gerber
Christof Vuille und Ruedi Studer

Frau Botschafterin, die Welt schaut auf Ihr Land. In der Nacht auf Montag stieg in Santa Clara der Super Bowl, am Dienstag finden in New Hampshire die nächsten Vorwahlen für die Präsidentschaft statt. Was interessiert Sie mehr?

Suzan LeVine: Puh, das ist eine echt schwierige Frage. Ich liebe den Sport, aber auch das gesellschaftliche Engagement rund um die Wahlen liegt mir sehr am Herzen. Beides ist sehr wichtig, damit Menschen zusammenkommen. So auch bei uns, es ist alles angerichtet für eine grosse Superbowl-Party.

Bei den Wahlen dürften Sie die demokratischen Kandidaten unterstützen. Sie hoffen bestimmt auf Hillary Clinton als erste weibliche Präsidentin.

Ich bin nicht zufällig violett angezogen – die Mischung aus den «roten» Republikanern und den «blauen» Demokraten. Damit will ich zeigen, dass ich mich in dieser Frage öffentlich neutral verhalte. Deshalb wage ich auch keine Prognose, wer gewinnt. Interessant ist die Frage, wie jemand gewinnt.

Wie lange wird es dauern, bis wir die beiden Kandidaten kennen?

Das ist die grosse Frage. Die Vorwahlen in Iowa haben gezeigt, dass nicht Umfragen, sondern Menschen die Wahlen entscheiden. Deshalb wird jener Kandidat gewinnen, der am besten bei der einfachen Bevölkerung verwurzelt ist. Sehen Sie, die Präsidentschaftswahl ist keine nationale Wahl ist, sondern in jedem Staat gelten eigene Gesetze. Genau wie in der Schweiz.

Jedenfalls steht im November auch Ihr Job auf dem Spiel.

Ich bin die direkte Repräsentantin von Barack Obama und mache meinen Job – jeden Tag bis zum Tag der Inauguration des neuen Präsidenten im Januar 2017. Bis dahin gebe ich mein Bestes. Wenn die Republikaner gewinnen, werden sie mich bitten, zu gehen. Gewinnen die Demokraten, könnten sie mich fragen, ob ich bleibe, bis es einen Ersatz gibt.

Möchten Sie denn bleiben oder haben Sie genug gesehen von der Schweiz?

Jeden Tag, den ich hier verbringen kann, ist für mich eine Ehre. Auch meine Familie schätzt die Schweiz sehr. Am Ende entscheidet der neue Präsident. Ich kann nur sagen, dass ich die Schweiz liebe.

Was werden Sie am meisten vermissen, wenn Sie Bern dereinst verlassen?

Es gibt so vieles, das wir schätzen. Das Schwimmen in der Aare ist ein absolutes Highlight – am Ende des wunderbaren Sommers 2015 hatten meine Schwimmschuhe Löcher, so oft habe ich sie benutzt. Und mein Lieblingsessen ist mittlerweile Pizokel. Am meisten vermissen würde ich dennoch die Leute im Land, die ich getroffen habe. Nicht nur in Bern, auch in Basel, Genf, Ascona oder in den Bündner Tälern habe ich ihre Herzlichkeit sehr geschätzt.

Diese Leute haben im Oktober ein neues Parlament gewählt. Wie haben Sie das erlebt?

Es war fantastisch. Ich war beeindruckt, wie gut das Ganze funktioniert hat. Und es ist beeindruckend, wie viele Parteien es in der Schweiz gibt.

Bei den anschliessenden Bundesratswahlen waren Sie als Gast im Bundeshaus. Eine wichtige Wahl, da die SVP ihren zweiten Sitz zurückerhielt und die Konkordanz wieder hergestellt wurde. Wie war das für Sie?

Es war faszinierend, zu erleben, wie die Schweizer Demokratie funktioniert. Wer warum gewählt wurde, ist aber eine Schweizer Angelegenheit.

Eine Schweizer Angelegenheit sind auch Volksabstimmungen. Diesen Monat haben wir einige davon. Was sagen Sie zur umstrittenen Durchsetzungs-Initiative?

Wir haben uns die Sache sehr genau angeschaut, aber das ist eine interne Schweizer Angelegenheit.

Nicht wirklich! Auch amerikanische Staatsbürger wären betroffen, wenn sie kriminell werden. In gewissen Fällen droht ihnen die Ausschaffung.

Das Schweizer Volk entscheidet, wie es das handhaben will! Da mische ich mich nicht ein.

Sie sind seit Juni 2014 US-Botschafterin in der Schweiz. Wie hat sich das Verhältnis zwischen der Schweiz und den USA seither verändert?

Wir unternehmen sehr viel, um unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu verstärken. Ich nenne Ihnen zwei grossartige Beispiele. Das erste ist das Global Entry Programm für Reisende, welches auch vielen Schweizern eine einfachere Einreise ermöglichen wird. Das zweite ist die Berufsausbildung. Da können wir viel von der Schweiz lernen.

Sehen Sie das Schweizer Berufsbildungssystem als Vorbild für die USA?

Absolut! Wir konnten über 20 Schweizer Firmen dazu bringen, dass sie in ihren Filialen in den USA Berufslehren anbieten. Ich habe einige dieser US-Lehrlinge getroffen. Auch ältere Personen, die eine neue Chance erhalten haben. Die Berufslehre verändert ihr Leben.

Soll sich das System der Berufslehren in den ganzen USA etablieren?

Unbedingt. Gerade erst trafen wir den Gouverneur von Colorado mit einer Delegation. Dort ist man inspiriert vom Schweizer System und will es adaptieren, um so ein Modell für die ganzen USA zu werden.

Es gab aber auch Konflikte. Der Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA hat die Beziehungen lange belastet. Mittlerweile ist der Konflikt weitgehend bereinigt. Können Sie nun mehr relaxen?

Als ich mein Amt antrat, lag tatsächlich eine Wolke über unseren Beziehungen. Aber es ist viel passiert: Die Leute haben realisiert, dass unsere beiden Länder eine wirklich starke Beziehung haben. Dazu gehört die enge wirtschaftliche Bindung, aber auch die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus oder die enorm wichtige Rolle der Schweiz bei den Verhandlungen mit Kuba oder dem Iran. Da ist aber noch ein anderer, sehr wichtiger Punkt...

Nämlich?

Die Leute haben begriffen, dass es nicht um die Schweiz geht, sondern um amerikanische Steuerzahler. Um Amerikaner, die ihre Steuerpflicht nicht umgehen dürfen. Von insgesamt 165 Milliarden Dollar Busse betraf der Grossteil amerikanische Banken, Schweizer Banken haben weniger als 5 Prozent bezahlt. Viele Banken haben ihre Probleme mittlerweile gelöst, so dass wir eine Seite weiterblättern konnten. Die Wolken sind verschwunden!

Sie haben vorhin Kuba und Iran angesprochen. Die Sonderrolle der Schweiz als Schutzmacht geht zusehends verloren. Welche Rolle wird die Schweiz als Vermittlerin für die USA künftig noch spielen?

Wir schätzen die Arbeit der Schweiz sehr. Die Schweizer Diplomaten waren sehr stolz darauf, dass sie uns die kubanischen Angelegenheiten übergeben konnten. Und im Iran wird die Schweiz weiterhin eine entscheidende Rolle für unsere Bürger spielen.

Schweizer Politiker gehen allerdings davon aus, dass die Schweiz für die USA an Bedeutung verliert.

Damit bin ich überhaupt nicht einverstanden! Ich bin überzeugt, dass die Schweiz als neutraler Staat auch im Bereich der Vermittlung und des Dialogs weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird. Nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt. Auch unsere wirtschaftlichen Beziehungen werden immer stärker mit einer erstaunlichen Besonderheit.

Nämlich?

Die Schweiz ist der achtgrösste Investor in den USA und hat 500'000 Jobs geschaffen. Sie ist nicht nur in den Top Ten der grössten Investoren, sondern als einzige davon in den Top Ten jener Länder, deren Investitionen am schnellsten wachsen. Die Schweiz ist damit aus meiner Sicht der wichtigste Investor. Umgekehrt investieren amerikanische Firmen in der Schweiz – wie gerade Biogen im Kanton Solothurn.

Ein anderes Thema ist der Kampf gegen den Terror, der nun auch Europa erreicht hat. Fühlen Sie sich noch sicher in der Schweiz?

Terroristen anerkennen keine Grenzen. Deshalb müssen alle vorsichtiger und wachsamer sein. Wir können diese Bedrohung nur gemeinsam bewältigen. Wichtig ist für alle, dass man Vorsichtsmassnahmen trifft. Zum Beispiel ganz einfach: Siehst du etwas, sag auch etwas. Ich persönlich fühle mich in der Schweiz aber sicher.

Dann gehen Sie auch alleine in die Stadt wie unsere Bundesräte – oder werden Sie immer von Bodyguards begleitet?

Ich schätze Ihre Frage, aber über meine persönlichen Sicherheitsmassnahmen kann ich leider nichts sagen.

Letzte Frage: Wann bringen Sie uns einen US-Präsidenten in die Schweiz?

Dazu sage ich nur: Die Idee wäre grossartig! (lacht)

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