Noch am Wochenende gingen Zehntausende gegen die unpopuläre Urheberrechtsreform auf die Strasse – auch in der Schweiz. Genützt hat der laute Protest nichts: Am Dienstagmittag hat das EU-Parlament für die umstrittene Urheberrechtsreform gestimmt. Kurz vor der Abstimmung lieferten sich Gegner und Befürworter des Vorhabens heftige Wortgefechte.
Auch der besonders kontrovers diskutierte Artikel 13, der Plattformen wie Youtube oder Facebook stärker in die Pflicht nimmt, fand am Dienstag in Strassburg eine Mehrheit unter den Abgeordneten. Die EU will so die grossen Tech-Konzerne unter anderem zwingen, im grossen Stil Lizenverträge mit Künstlern zu schliessen – bei illegalen Uploads geschützter Werke wären sie andernfalls direkt haftbar. Bislang müssen Künstler, deren Werke illegal verwendet werden, die einzelne Verwendung mühsam nachverfolgen.
Google und Facebook sollen zahlen
Für die Medien sieht die Reform ein eigenes Leistungsschutzrecht vor – der ebenfalls umstrittene Artikel 11. Angebote wie Google News oder Facebook sollen dazu gebracht werden, Vergütungen für Artikel und Inhalte von Zeitungen, Magazinen, Nachrichtenagenturen oder sonstigen Medien zu zahlen.
Gegner der Reform befürchten allerdings, dass die grossen Tech-Konzerne vermehrt Uploadfilter einsetzen. Denn sie fürchten, dass die Filter auch vollkommen legale Inhalte blockieren könnten. Wikipedia schaltete aus Protest im Vorfeld für einen Tag seine Webseite ab. «Der Vorwurf, dass diese manchmal legitime Inhalte herausfiltern, kann berechtigt sein», räumte das EU-Parlament vorab ein. Deshalb seien auch Beschwerdemöglichkeiten vorgesehen, mit denen sich Nutzer gegen ungerechtfertigte Löschungen oder Sperrungen wehren könnten.
Edward Snowden macht Stimmung gegen CDU
Im Netz viel Applaus bekam der Redebeitrag der deutschen Piratenpartei-Politikerin Julia Reda, die sich vehement gegen die Reform eingesetzt hatte:
Auch Whistleblower Edward Snowden hat die Annahme des umstrittenen Urheberrechts durch das EU Parlament scharf kritisiert. «Vergiss nie, was sie hier gemacht haben», twitterte der 35-Jährige auf Deutsch. Dabei richtete er sich besonders gegen die deutschen Konservativen im Strassburger Parlament: «Da die @CDU_CSU_EP gestimmt hat für nie mehr Internetfreiheit, muss das Internet für nie mehr @CDU_CSU_EP stimmen. #nieMehrCDU.» Snowden, der 2013 die ausufernde Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA öffentlich gemacht hatte, lebt nach wie vor im russischen Exil.
Nutzer kommentierten das holprige und fehlerhafte Deutsch in Snowdens Tweet - worauf dieser auf Englisch schrieb: «Mein Deutsch würde besser sein, wenn ich dort leben könnte ;)» Die deutsche Regierung verweigert dem früheren NSA-Mitarbeiter Asyl, auch um die Beziehungen zu den USA nicht zu belasten. Die US-Justiz will Snowden wegen Spionage und Diebstahl von Regierungseigentum den Prozess machen. Im Fall einer Verurteilung droht ihm unter Umständen die Todesstrafe.
Reform-Befürworter warfen den Tech-Konzernen vor, im grossen Stil Lobby zu betreiben. Unter anderem hätten sie Demonstranten für den Protest Geld geboten.
Die Befürworter waren teilweise heftigen Attacken ausgesetzt. Parlamentarier berichteten von Morddrohungen und Hackangriffen.
Mitgliedsstaaten müssen Entscheid zustimmen
Die Reform soll das veraltete Urheberrecht in der EU ans digitale Zeitalter anpassen und Urhebern für ihre Inhalte im Netz eine bessere Vergütung sichern. Mitte Februar hatten sich Unterhändler des EU-Parlaments und der EU-Staaten nach mühsamen Verhandlungen auf einen Kompromiss geeinigt.
Darüber stimmte das Parlament nun ab. 348 Abgeordnete stimmten dafür, 274 dagegen. Die EU-Staaten hatten den Kompromiss bereits bestätigt. Nun müssen die Mitgliedsstaaten die Einigung jedoch noch definitiv bestätigen. Als möglicher Termin dafür gilt der 9. April. Dann haben die Länder zwei Jahre Zeit, um die EU-Richtlinie in nationales Recht zu überführen – also bis 2021.
Und die Schweiz?
Der Ständerat will die Entwicklung in der EU abwarten, bevor er über die Revision des Urheberrechts entscheidet. Er hat vor gut zwei Wochen entschieden, die Vorlage an seine Kommission zurückzuweisen.