Armer Philipp Müller! Da verliert die FDP 36 Jahre lang jede eidgenössische Wahl. Dann gelingt ihr unter seiner Führung nicht nur die Stabilisierung. Sie machte am gestrigen Wahlsonntag sogar viel Terrain gut, steht neu bei rund 16,4 Prozent (+1,3%) Wähleranteil. Ein historischer Sieg. Nur: Kaum jemand spricht darüber. Die Musik spielt anderswo. Bei der SVP, die mit ihrem Durchmarsch alle anderen in den Schatten stellt.
Als um 19 Uhr das ganze Land gebannt die Elefantenrunde der Parteipräsidenten auf SRF verfolgt, ist Müller nicht der strahlende Wahlsieger, sondern nur ein besserer Statist. So gemein kann Politik sein! Der FDP-Präsident trägt es mit Fassung. Er hat mit diesem Ausgang der Wahlen gerechnet. Und zwar schon länger. Kurz vor 15 Uhr stieg Philipp Müller gestern Nachmittag in Aarau in den Zug nach Bern. Er ist angespannt. Die Auszählung der Stimmen im Aargauer Ständeratswahlkampf ist noch im Gang, und es sieht nicht gut aus für ihn persönlich. Müller liegt einige Tausend Stimmen hinter seinem direkten Konkurrenten Hansjörg Knecht (SVP).
Wie er sich fühlt? Müller zeigt sein Pokerface. «Ich freue mich auf das Nachtessen», sagt er: «Schnitzel und Pommes frites im Hotel Bellevue.» Dann lenkt er die Diskussion schnell auf das Megathema dieses Wahlkampfs – die Flüchtlingskrise. «Seit dem August gab es plötzlich nur noch dieses Thema», erzählt Müller. «Da war für mich klar, dass die SVP durchmarschieren wird.»
Müllers Ahnung wurde gestern bestätigt. Doch als er kurz vor 16 Uhr im Bundeshaus eintrifft, da ist das Ausmass des SVP-Wahlsiegs noch nicht absehbar. Müller wird sofort umringt von zwei Dutzend Journalisten. Alle wollen mit ihm sprechen. Natürlich auch, weil alle Prognosen einen FDP-Wahlsieg vorhergesagt haben. Müller dämpft die Erwartungen. «Es ist noch so vieles offen, einige wenige Stimmen können den Ausschlag geben.»
Genau so kommt es. Immer klarer zeichnet sich ab, dass die SVP einen Erdrutschsieg einfährt. Um 18 Uhr muss Müller im Bundeshaus sogar dagegen ankämpfen, dass die Gewinne der FDP kleingeredet werden. «Auch ein Siegli ist ein Sieg!», sagt Müller.Am Abend sitzt er im Restaurant Galerie des Alpes, über eine kleine Schale gebückt. Endlich: der Znacht. Allerdings: Für Schnitzel und Pommes frites hat es nicht gereicht. Philipp Müller hat einen Teller Ghackets mit Hörnli vor sich stehen.