Unterschriftensammlung lanciert
Neutralitäts-Initiative startet ohne Blocher

Vor Monaten hat Christoph Blocher das Volksbegehren angekündigt. Nun wurde die Neutralitäts-Initiative offiziell lanciert – jedoch ohne den alt Bundesrat im Komitee.
Publiziert: 08.11.2022 um 18:26 Uhr
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Aktualisiert: 09.11.2022 um 08:11 Uhr
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Christoph Blocher hat die Neutralitäts-Initiative im Frühling angekündigt.
Foto: KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Der Startschuss für die Neutralitäts-Initiative ist gefallen. Die Initiative will der Schweiz die Mitgliedschaft in Verteidigungsbündnissen und das Übernehmen oder Ergreifen von Sanktionen weitgehend untersagen. Die Initiantinnen und Initianten haben bis Mai 2024 Zeit, die für das Zustandekommen nötigen 100'000 Unterschriften zu sammeln.

Der Text der Volksinitiative und die Sammelfrist wurden am Dienstag im Bundesblatt veröffentlicht. Die «immerwährende und bewaffnete Neutralität» soll in der Verfassung verankert werden.

Friedensfördernde Einsätze weiterhin möglich

Die Schweiz darf gemäss dem vorgeschlagenen Artikel 54a keinem Militär- oder Verteidigungsbündnis beitreten. Ausgenommen ist eine Zusammenarbeit mit solchen Bündnissen für den Fall eines direkten militärischen Angriffs auf die Schweiz. Trainings mit ausländischen Partnern blieben laut Komitee aber zulässig, und friedensfördernde Einsätze der Armee könnte das Parlament weiterhin bewilligen.

Untersagt werden der Schweiz «nichtmilitärische Zwangsmassnahmen» gegen kriegführende Staaten. An Sanktionen darf sie sich demnach nicht mehr beteiligen und auch selbst keine solchen treffen. Etwa die Sanktionen der EU nach dem Angriff auf die Ukraine gegen Russland dürfte die Schweiz gemäss Initiative nicht übernehmen.

Aus dem Verbot ausgeklammert bleiben aber Verpflichtungen der Schweiz gegenüber der Uno. Die Schweiz soll mit eigenen Massnahmen auch verhindern dürfen, dass Sanktionen anderer Staaten umgangen werden können.

Schweiz soll Vermittlerin sein

In der Verfassung verankern wollen die Initiantinnen und Initianten zudem, dass die Schweiz die immerwährende Neutralität für das Verhindern und Lösen von Konflikten nutzt. Sie soll als Vermittlerin zur Verfügung stehen und gute Beziehungen zu allen Staaten pflegen. Das Komitee sieht die Neutralität als Mittel für die Friedenspolitik.

Präsidiert wird das Initiativkomitee vom Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann. Die Schweiz verfalle zunehmend einer Politik von Phrasen, die einfach wiederhole, was international gerade üblich sei, sagte Wobmann am Dienstag in Bern vor den Medien. Diese Politik «des blossen Mitschwimmens» stosse andere Staaten vor den Kopf.

Das Komitee stört sich namentlich an der Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland. Die ganze Welt – von US-Präsident Joe Biden bis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin – habe festgestellt, dass die Schweiz nicht mehr neutral sei, argumentiert das Initiativkomitee.

Blocher nicht im Komitee

In den vergangenen Monaten und Wochen hatte sich vor allem alt Bundesrat Christoph Blocher (82) für die Neutralitätsinitiative starkgemacht. Zum Initiativkomitee gehört Blocher nun aber nicht. Hinter der Initiative steht der Verein Neutralitätsinitiative; er wird vom neu gegründeten Verein Pro Schweiz unterstützt.

Pro Schweiz wurde im Oktober gegründet, in Blochers Beisein. In diesem Verein gingen neben der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns), die Organisation «Nein zum schleichenden EU-Beitritt» und die «Unternehmer-Vereinigung gegen den EU-Beitritt» auf.

Einsitz haben im überparteilichen Initiativkomitee auch SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (43) und der frühere SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt (52), einer der Anwärter für den Sitz des zurücktretenden Bundesrats Ueli Maurer (71). Auch Pro-Schweiz-Präsident Stephan Rietiker (66) gehört dem Komitee an.

Bundesrat dagegen

Heute gibt die Bundesverfassung vor, dass Bundesrat und Parlament Massnahmen zur Wahrung der Neutralität der Schweiz zu treffen haben. Die Rechte und Pflichten eines neutralen Staates regelt das Neutralitätsrecht gemäss den Haager Abkommen von 1907, wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten schreibt.

Der Bundesrat hält es nicht für zweckmässig, eine weitergehende Verankerung des Kerninhalts der Neutralität in die Verfassung und auch in Gesetze zu schreiben. Dies würde den sicherheits- und aussenpolitischen Spielraum der Schweiz einschränken.

Die aktuelle Neutralitätspolitik wurde 1993 definiert und wird seither praktiziert. Die geltende Praxis biete genug Spielraum, um auf Auswirkungen des Ukraine-Kriegs zu reagieren, so der Bundesrat. Eine Neudefinition im Sinn der von Aussenminister Ignazio Cassis (61) ins Spiel gebrachten «kooperativen Neutralität» lehnte er ab. (SDA)

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