Unrechtsstaat oder nicht?
Aeschi fordert Untersuchungs-Mission für Eritrea

Nach einer sechstägigen Reise durch Eritrea ist SVP-Nationalrat Thomas Aeschi immer noch überzeugt, dass die meisten Flüchtlinge dem Land aus wirtschaftlichen Gründen den Rücken kehren. Jetzt fordert er eine Schweizer Fact-Finding-Mission.
Publiziert: 10.02.2016 um 23:04 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:09 Uhr
«Ich habe keine Gefängniskolonnen oder Zwangsarbeiter gesehen»: SVP-Aeschi nach seiner Eritrea-Reise.
Foto: KEYSTONE/PETER SCHNEIDER

Einem unabhängigen UNO-Bericht zufolge gibt es in Eritrea massive Menschenrechtsverletzungen, Zwangsarbeit, willkürliche Hinrichtungen und systematische Folter. SVP-Nationalrat Thomas Aeschi ist auch nach einer sechstägigen Reise durch das Land anderer Meinung. Er verlangt nun ein Mandat für eine Schweizer Fact-Finding-Mission auf höchstem Niveau.

«Wir hatten kein Mandat, wir wollten nur mit eigenen Augen sehen, wie die Situation im Land aussieht», sagte Aeschi heute gegenüber der Nachrichtenagentur SDA telefonisch aus Indien. Er würde sich auch nicht anmassen, nun die Menschenrechtssituation in Eritrea zu beurteilen.

Doch er habe sich in den sechs Tagen «ein unabhängiges Bild vom Land» machen können. Er sei am Abend alleine oder mit Kollegen in der Hauptstadt Asmara unterwegs gewesen, habe zahlreiche Gespräche mit den Einwohnern geführt und sogar eine Modenschau besucht. «Ich habe keinen Überwachungsstaat gesehen.» Lediglich Fragen über Angehörige in Gefängnissen seien einige Gesprächspartner ausgewichen.

Zurückhaltender äusserte sich der Waadtländer CVP-Nationalrat Claude Béglé. Er habe nicht den Eindruck gehabt, in Nordkorea zu sein, eher im Kuba vor einigen Jahren, sagte er dem Westschweizer Radio RTS. Über die Menschenrechtssituation habe er sich keine Meinung bilden können, gab er zu. Sie hätten keine Gefängnisse besuchen können, auch zu gewissen anderen Orten hätten sie keinen Zugang erhalten.

Nach eigenen Angaben unternahmen Aeschi, Béglé und weitere Schweizer Parlamentarier drei Reisen ausserhalb der Hauptstadt. Zwei davon wurden vom Schweizer Honorarkonsul Toni Locher, die dritte von einer Eritreerin geleitet. SP-Ständerätin Pascale Bruderer hatte ihre Absage zur Reise gegenüber der «Schweiz am Sonntag» damit begründet, dass Locher von der eritreischen Regierung bezahlt werde.

Auf dem Programm standen weiter ein Besuch bei der Delegation des Internationalen Roten Kreuzes in Asmara und beim EU-Botschafter in Eritrea, Christian Manahl. Dieser habe ihnen erklärt, dass seiner Meinung nach die überwiegende Mehrheit der eritreischen Flüchtlinge aus wirtschaftlichen Gründen ausreise, sagte Aeschi.

Gegenüber der Nachrichtenagentur SDA bestätigte Manahl diese Aussagen. Er fügte jedoch auch an, dass einer der Hauptgründe neben der wirtschaftlichen Krise die unsichere Dauer des Nationaldienstes sei. Das habe natürlich auch eine wirtschaftliche Komponente. Deshalb könnten die beiden Aspekte in Eritrea nicht so scharf getrennt werden.

Grundsätzlich sei das Recht auf Asyl eine Interpretationsfrage, sagte Manahl. «Wenn ein eritreischer Asylsteller individuell nachweisen muss, dass er verfolgt wird, dann trifft das wohl auf die wenigsten zu.» Wenn jedoch die Einschränkung der grundlegenden Rechte oder der Meinungsäusserungsfreiheit ausschlaggebend sei, dann sei davon in Eritrea die gesamte Bevölkerung betroffen.

Im Bericht der Eritrea-Untersuchungskommission der UNO vom letzten Sommer heisst es, weite Teile der Bevölkerung des Staates am Roten Meer mit etwa 6,4 Millionen Einwohnern seien Zwangsarbeit sowie einem zeitlich unbefristetem Militär- oder Sozialdienst und ungesetzlichen Inhaftierungen ausgesetzt.

Diese moderne Sklaverei hat Aeschi nicht beobachten können: «Ich habe auf unseren Reisen auf all den Strassen keine Gefängniskolonnen oder Zwangsarbeiter gesehen», sagte er. Die Angestellten in Restaurants und Bars, welche dort ihren Nationaldienst leisteten, seien zwar schlecht bezahlt, aber «nicht angekettet» gewesen. Und man habe ihnen erklärt, dass es im Nationaldienst in den letzten Jahren Verbesserungen gegeben habe.

Gefängnisse konnten die Schweizer Parlamentarier nicht besuchen. Selbst das IKRK hat nach Aussagen von Justizministerin Simonetta Sommaruga keinen Zugang zu den Haftanstalten.

Gemäss einem Bericht des Europäische Asylunterstützungsbüro EASO über Eritrea werden Deserteure und Wehrdienstverweigerer den meisten Quellen zufolge verhaftet, wenn sie vor ihrer Ausreise im Inland oder nach der Rückkehr am Flughafen aufgegriffen werden. Die UNO-Kommission appelliert deshalb an alle Staaten, eritreische Asylsuchende nicht zur Rückkehr zu zwingen.

Aeschi sagt, er habe die Nummer zwei des eritreischen Regimes und ein Vertrauter von Staatschef Issaias Afewerki darauf angesprochen. Und dieser habe ihnen versichert, dass «wir selbstverständlich alle zurücknehmen». Interessant sei ja, dass die UNO-Kommission für ihren Bericht selber nicht ins Land reisen durfte.

In der Tat hatte die eritreische Regierung den UNO-Ermittlern jegliche Zusammenarbeit verweigert. Grundlage ihres Berichts waren daher 550 vertrauliche Interviews mit Zeugen ausserhalb Eritreas sowie 160 schriftliche Berichte von Betroffenen.

Aeschi fordert nun eine Schweizer Fact-Finding-Mission auf höchstem Niveau mit eigenen Mitteln und einem offiziellen Mandat. Ausserdem müsse Sommaruga «mehr diplomatisches Feingefühl» zeigen, anstatt Eritrea ständig als Diktatur und Unrechtsstaat zu geisseln.

Béglé plädiert für ein wirtschaftliches Wiederaufbauprogramm und die Präsenz von internationalen Beobachtern im Land, die die Rückkehr von eritreischen Flüchtlingen überwachen könnten. Auch solle das IKRK Zugang zu den Gefängnissen erhalten. (SDA)

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