Undemokratischer Club
Auch Sozis wollen von EU nichts mehr wissen

Die unendliche Griechen-Krise hat Schweizer SP-Politiker zum Umdenken veranlasst. Sie wollen von einem Beitritt zu «diesem Club» nun nichts mehr wissen - und sagen das auch öffentlich.
Publiziert: 26.07.2015 um 15:23 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:43 Uhr
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«Undemokratische Sparpolitik»: Die Zürcher SP-Frau Min Li Marti stört sich an der Dominanz Deutschlands in der EU und dessen hartem Sparkurs gegenüber den Griechen.
Foto: Dave Adair
Von Marcel Odermatt

Lange war für die Linke klar: Die Schweiz muss mit der EU Beitrittsverhandlungen aufnehmen. Die Eidgenossenschaft, eine Union im Kleinen, solle Teil der grossen europäischen Solidargemeinschaft werden, argumentierten die Genossen.

Noch nach dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative letztes Jahr forderte die SP vom Bundesrat, er solle die Mitgliedschaft prüfen. Das sei ein Weg aus der europapolitischen Sackgasse.

Die endlose Griechenland-Krise machte jetzt aber viele Sozialdemokraten nachdenklich. Steht die Vereinigung tatsächlich für ein gerechteres Europa, wie die SP-Generation von Ex-Präsident Peter Bodenmann (63) felsenfest überzeugt war? 

Die Lust, bei der heutigen EU mitzumachen, nimmt ab. Hinter den Kulissen wird bereits heftig Kritik geübt. Erste Parteikader wagen sich auch öffentlich aus der Deckung. Einer von ihnen ist SP-Nationalrat Beat Jans (51, BS). Die Frage der Wahl-Plattform Smartvote, ob die Schweiz Beitrittsverhandlungen aufnehmen soll, beantwortet er heute mit «eher nein» –früher war es ein «eher ja». Die EU müsse ihre demokratischen, föderalistischen und finanzpolitischen Defizite beheben: «Im Moment ist sie davon aber weiter entfernt denn je», so Jans.

Ins EU-skeptische Lager gekippt ist auch SP-Nationalratskandidatin Min Li Marti (41): «Die europäische Integration hat mich politisiert», sagt die Zürcherin. Jetzt frage sie sich, ob es tatsächlich noch erstrebenswert sei, diesem Club anzugehören. «In den 1990er-Jahren war Europa – mindestens im Vergleich zur Schweiz – ein Projekt des sozialen Fortschritts», erklärt Marti. Das sei im Moment nur noch schwer zu erkennen. Heute stehe die EU vor allem für eine unmenschliche Sparpolitik, diktiert von Deutschland. Sie werde deshalb bei Smartvote ein Nein ankreuzen.

Auch SP-Nationalrat Matthias Aebischer (47) ist überzeugt, dass die Zukunft den Bilateralen gehört – und nicht einer EU-Mitgliedschaft. Früher habe man mit dieser Meinung «Kopfschütteln» geerntet. Heute sei dies in der Linkspartei «die Meinung von vielen», so der Berner.

Frei von Wahlkalkül sind die Positionsbezüge der zitierten SP-Politiker natürlich nicht. Mit dem EU-Banner in der Hand sind im Herbst kaum Wahlen zu gewinnen. Da kommt die Hellenen-Malaise gerade recht.

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