Die Uno ist beunruhigt. Die Menschenrechte seien in Gefahr, warnten jüngst mehrere hochrangige Vertreter der Vereinten Nationen in einem Brief ans Justizdepartement von Bundesrätin Karin Keller-Sutter (56). Sorgen bereitet ihnen ein neues Gesetz, über das der Nationalrat heute entscheidet. Um Terroranschläge zu verhindern, soll die Polizei Gefährder stärker überwachen können. Zum Beispiel, indem sie Kontakt-, Rayon- oder Ausreiseverbote erlässt. Auch Hausarrest soll künftig verordnet werden können.
Bundesrat ist dagegen
Der Nationalrat will nun sogar noch weiter gehen. Eine knappe Mehrheit der Sicherheitspolitiker im Rat schlägt vor, dass Gefährder auch ins Gefängnis gesteckt werden können. «Gesicherte Unterbringung» heisst die Massnahme offiziell. Faktisch handelt es sich um eine Präventivhaft.
Dabei kam ein Rechtsgutachten zum Schluss, dass die Haft gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstösst. In Auftrag gegeben hatten das Gutachten das Justizdepartement und die Konferenz der Kantonalen Polizeidirektoren (KKJPD). Letztere hatten sich erst für die Präventivhaft ausgesprochen – haben nach dem Gutachten aber ihre Meinung geändert. Auch Justizministerin Keller-Sutter ist darum dagegen.
Im Ständerat, der im Frühling über das neue Gesetz diskutierte, war die Präventivhaft kein Thema. Dass der Nationalrat nun darauf zurückkommt, hat damit zu tun, dass er sich vor zwei Jahren klar für einen Vorstoss der SVP ausgesprochen hat, der genau das fordert. Nebst der SVP waren auch FDP und CVP geschlossen dafür, dass Gefährder vorsorglich in Haft genommen werden dürfen.
Verstoss gegen Kinderrechte?
Doch nicht nur wegen der Präventivhaft ist das Gesetz höchst umstritten. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty Schweiz kritisieren ausserdem, dass die Polizei schon 15-Jährige unter Hausarrest stellen darf. Bei den anderen Massnahmen liegt die Altersgrenze sogar bei 12 Jahren. Das verstosse gegen die Kinderrechte, kritisieren Nichtregierungsorganisationen. Im Ständerat haben Linke vergebens dafür gekämpft, die Altersgrenze zu heben. Auch im Nationalrat wird dies heute für hitzige Diskussionen sorgen.
Nebst den präventiven Massnahmen will die Politik den Hebel auch beim Strafrecht ansetzen. Am Dienstag hat der Nationalrat bereits Ja gesagt zu härteren Strafen für Terroristen. Unter anderem sollen neu auch das Anwerben, die Ausbildung und das Reisen zu terroristischen Zwecken strafbar sein.
Etliche Attentate – zum Beispiel 2016 in Berlin oder 2014 in Ottawa – hatten alle etwas gemeinsam: Die Täter waren den Behörden beziehungsweise den Geheimdiensten als hochgefährlich bekannt. Und trotzdem wurde nichts unternommen. Attentate wie diese erzeugen eine permanente unterschwellige Gefahr im Alltag und beeinflussen unsere Freiheit und Unbeschwertheit. Das grundlegende menschliche Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle wird durch Terrorangriffe verletzt. Hilflosigkeit, Ohnmacht und Angst entstehen.
Gleichzeitig führen sie zu politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten. Weil diese Gefährder, ohne aufgehalten zu werden, zur Tat schreiten konnten, haben ihre Anschläge eine zusätzliche Wirkung: Sie untergraben das Vertrauen der Bevölkerung in ihren Staat. Dass die Anschläge nicht vereitelt werden konnten, ist für die Angehörigen der Opfer wie auch für die Sicherheitsbehörden eine zusätzliche psychologische Belastung.
Es ist unrealistisch und deshalb unfair, von Polizei und Nachrichtendienst zu erwarten, alle Gefährder, beispielsweise Dschihad-Rückkehrer, ausreichend überwachen zu können. Potenziellen Selbstmordattentätern kann der Rechtsstaat nicht bloss mit Rayonverboten, Fussfesseln oder einem simplen Hausarrest entgegentreten. Um die Sicherheit unserer Bevölkerung zu gewährleisten, müssen die polizeilichen Massnahmen zwingend um eine gesicherte Unterbringung von Gefährdern ergänzt werden.
David Zuberbühler (41), SVP-Nationalrat (AR)
Etliche Attentate – zum Beispiel 2016 in Berlin oder 2014 in Ottawa – hatten alle etwas gemeinsam: Die Täter waren den Behörden beziehungsweise den Geheimdiensten als hochgefährlich bekannt. Und trotzdem wurde nichts unternommen. Attentate wie diese erzeugen eine permanente unterschwellige Gefahr im Alltag und beeinflussen unsere Freiheit und Unbeschwertheit. Das grundlegende menschliche Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle wird durch Terrorangriffe verletzt. Hilflosigkeit, Ohnmacht und Angst entstehen.
Gleichzeitig führen sie zu politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten. Weil diese Gefährder, ohne aufgehalten zu werden, zur Tat schreiten konnten, haben ihre Anschläge eine zusätzliche Wirkung: Sie untergraben das Vertrauen der Bevölkerung in ihren Staat. Dass die Anschläge nicht vereitelt werden konnten, ist für die Angehörigen der Opfer wie auch für die Sicherheitsbehörden eine zusätzliche psychologische Belastung.
Es ist unrealistisch und deshalb unfair, von Polizei und Nachrichtendienst zu erwarten, alle Gefährder, beispielsweise Dschihad-Rückkehrer, ausreichend überwachen zu können. Potenziellen Selbstmordattentätern kann der Rechtsstaat nicht bloss mit Rayonverboten, Fussfesseln oder einem simplen Hausarrest entgegentreten. Um die Sicherheit unserer Bevölkerung zu gewährleisten, müssen die polizeilichen Massnahmen zwingend um eine gesicherte Unterbringung von Gefährdern ergänzt werden.
David Zuberbühler (41), SVP-Nationalrat (AR)
Wir müssen Terrorismus bekämpfen, das ist ein Fakt. Das wichtigste Mittel in der Bekämpfung von Terrorismus ist der Schutz der Grundrechte. Fühlen wir uns frei und sicher, gibt es weniger versteckte Kriminalität. Fühlen wir uns frei und sicher, haben wir Vertrauen in die Institutionen und ermöglichen so dem Staat, an wichtige Informationen zu kommen. Staaten, welche die Grundrechte schützen, sind international glaubwürdige Partner, und in der Bekämpfung von Terrorismus ist die internationale Zusammenarbeit ein wichtiger Pfeiler. Die polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) verletzen die Grundrechte.
Mit dem neuen Gesetz können aufgrund vager Vermutungen krasse Einschränkungen unserer Rechte und Freiheiten verfügt werden. Kontaktverbote, Eingrenzungen, Hausarrest, Ausreiseverbote: alles möglich ohne vorangegangene Straftaten, ohne konkrete Vorbereitungshandlungen, nur aufgrund der Einschätzung, «gefährlich» zu sein.
Und diese Massnahmen betreffen nicht nur Erwachsene. Bereits ein Kind kann beispielsweise unter Hausarrest gestellt werden, und das monatelang, ohne konkreten Verdacht, sondern eben «präventiv» – das heisst, aufgrund der Vermutung, dass es in Zukunft vielleicht etwas Strafbares tun könnte. Das ist unverhältnismässig und widerspricht allen Grundsätzen von Kinder- und
Jugendschutz. Unser Rechtsstaat sieht vor, dass man Massnahmen ergreifen kann, sobald ein konkreter Verdacht besteht. Das PMT aber ist ein Gesetz, welches uns alle zu Verdächtigen macht.
Marionna Schlatter (40), Nationalrätin der Grünen (ZH)
Wir müssen Terrorismus bekämpfen, das ist ein Fakt. Das wichtigste Mittel in der Bekämpfung von Terrorismus ist der Schutz der Grundrechte. Fühlen wir uns frei und sicher, gibt es weniger versteckte Kriminalität. Fühlen wir uns frei und sicher, haben wir Vertrauen in die Institutionen und ermöglichen so dem Staat, an wichtige Informationen zu kommen. Staaten, welche die Grundrechte schützen, sind international glaubwürdige Partner, und in der Bekämpfung von Terrorismus ist die internationale Zusammenarbeit ein wichtiger Pfeiler. Die polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) verletzen die Grundrechte.
Mit dem neuen Gesetz können aufgrund vager Vermutungen krasse Einschränkungen unserer Rechte und Freiheiten verfügt werden. Kontaktverbote, Eingrenzungen, Hausarrest, Ausreiseverbote: alles möglich ohne vorangegangene Straftaten, ohne konkrete Vorbereitungshandlungen, nur aufgrund der Einschätzung, «gefährlich» zu sein.
Und diese Massnahmen betreffen nicht nur Erwachsene. Bereits ein Kind kann beispielsweise unter Hausarrest gestellt werden, und das monatelang, ohne konkreten Verdacht, sondern eben «präventiv» – das heisst, aufgrund der Vermutung, dass es in Zukunft vielleicht etwas Strafbares tun könnte. Das ist unverhältnismässig und widerspricht allen Grundsätzen von Kinder- und
Jugendschutz. Unser Rechtsstaat sieht vor, dass man Massnahmen ergreifen kann, sobald ein konkreter Verdacht besteht. Das PMT aber ist ein Gesetz, welches uns alle zu Verdächtigen macht.
Marionna Schlatter (40), Nationalrätin der Grünen (ZH)