Auf einen Blick
- Schweiz stimmt über Ausbau der Autobahnen ab
- Economiesuisse: Ausbau gut für Umwelt, weniger Stau
- Stau verursacht in der Schweiz jährlich 140–250 Millionen kg CO2
Am 24. November geht es um ein menschliches Grundbedürfnis: Mobilität. Dann wird die Schweiz über den Ausbau ihrer Autobahnen abstimmen. Regierung und Parlament wollen 4,9 Milliarden Franken für sechs Projekte auf den wichtigen Achsen A 1, A 2 und A 4 bereitstellen. Die Gründe sind bekannt: Das Verkehrsaufkommen ist in den letzten Jahrzehnten durch das Bevölkerungswachstum dramatisch angestiegen, während das Strassennetz praktisch unverändert blieb. Die Schweiz platzt aus allen Nähten, auch auf Strasse und Schiene.
Ebenso klar ist der Widerstand von links-grünen Parteien und Umweltschützern: Sie beschwören das alte Credo, wonach beim Verkehr das Angebot die Nachfrage bestimmt, mehr Asphalt also zu mehr Autos führt. Zum anderen wird vor der weiteren Verbauung von Grund und Boden gewarnt, was der Natur schade. Dazu hat die «NZZ am Sonntag» vergangene Woche berichtet, dass die externen Kosten des Verkehrs laut einer Berechnung des Umweltdepartements Uvek noch höher seien als bislang geschätzt.
48'000 Stunden Stau
Ist damit alles geklärt? Mitnichten. Noch vor der heissen Phase des Abstimmungskampfs kursiert im Wirtschaftsdachverband Economiesuisse ein Papier mit Zündstoff. Darin kommen die Experten zum Schluss, dass ein Ausbau nicht schlecht, sondern gut für die Umwelt sei. Natürlich anerkennen die Urheber die Schädlichkeit des motorisierten Verkehrs, doch fokussieren sie auf einen anderen Punkt: den Stau. «Schweizerinnen und Schweizer stehen auf Nationalstrassen jährlich rund 48’000 Stunden im Stau», heisst es im Dokument, das Blick vorliegt und die nächsten Tage veröffentlicht werden soll. Das führe zu Zeitverlusten von 73 Millionen Stunden pro Jahr.
Die verstopften Engpässe würden die Schweiz nicht nur 340 Franken pro Person kosten, sondern «auch sehr viele Treibhausgase ausstossen.» Nach Economiesuisse-Schätzungen entspricht das jährlich 140–250 Millionen Kilogramm CO2. Was etwa so viel sei wie 120'000 bis 230'000 Flüge von Zürich nach New York (USA); Stau verursache damit etwa so viel Treibhausgas, wie wenn ganz Basel nach New York fliegen würde.
Weniger CO2 dank Strassenausbau?
«Die Autobahnen sind am Limit», bilanziert die Wirtschaftslobby. Nur 5,3 Prozent mehr Fahrleistungen hätten zu einer Verdopplung der Staustunden geführt. Im Umkehrschluss folgern die Fachleute: Wenn die bestehende Anzahl Autos dank des Strassenausbaus mehr rollen kann, sinkt der CO2-Ausstoss. «Diese Entwicklung darf nicht nur nicht weitergehen, sondern wir müssen etwas gegen den Stau unternehmen.»
Überdies werde der Strassenverkehr langfristig ohnehin elektrisch, also «grün» sein. So lautet der Schluss: «Der Ausbau der Nationalstrassen ist nicht trotz, sondern wegen des Klimawandels wichtig.» Alexander Keberle (32), Mitglied der Geschäftsleitung und Bereichsleiter Umwelt, Energie und Infrastruktur beim Dachverband, sagt: «Uns hat überrascht, wie viel der Stau auf unseren Strassen zum CO2-Ausstoss mutmasslich beiträgt. Den Stau Stau sein lassen und auf den Ausbau an den bekannten Nadelöhren zu verzichten, damit ist dem Klima wohl nicht geholfen. Im Gegenteil.» Bald wird sich zeigen, ob sich die Stimmbürger davon überzeugen lassen.