Umsetzung Einwanderungs-Initiative
Bundesrat gegen EU! – Aber nur, wenns sein muss

Der Bundesrat will die SVP-Einwanderungsinitiative mit einer Schutzklausel umsetzen. Notfalls auch gegen den Willen der EU.
Publiziert: 04.12.2015 um 18:42 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 04:08 Uhr
Beten, dass die EU die einseitige Schweizer Schutzklausel schluckt: Simonetta Sommaruga und Didier Burkhalter an der heutigen Pressekonferenz.
Foto: Keystone
Von Nico Menzato

Bald zwei Jahre nach dem Ja zur SVP-Masseneinwanderungs-Initiative bleibt die Zuwanderung in die Schweiz unverändert hoch. Von Januar bis Oktober sind 62'839 Personen mehr ein- als ausgewandert. Das sind rund 4000 weniger als in den ersten zehn Monaten 2014. Damals waren es bis Ende Jahr knapp 79'000 gewesen. Auch 2015 wird die Schweiz also um weit mehr als 70'000 Personen wachsen.

Und die Gretchenfrage bleibt weiterhin völlig offen: Wie hoch darf die Einwanderung aus der EU künftig sein? Bei der Fest­legung dieser Zahl seien die gesamtwirtschaftlichen Interessen zu berücksichtigen, sagten Simonetta Sommaruga (55, SP) und Didier Burkhalter (55, FDP) gestern einzig.

Eine Höchstzahl soll aber dereinst festgelegt und mit einer Schutzklausel umgesetzt werden, wie die beiden Magistraten ankündigten. Wird in einem Jahr die Schwelle überschritten, würden im Folgejahr Kontingente eingeführt.

Der Bundesrat hofft – oder hat womöglich Signale –, dass die EU eine solche Schutzklausel zumindest toleriert. Eine Einigung gibt es nicht. Auch nicht nach zehn Konsultationsgesprächen, die seit Februar 2015 auf Staatssekretärebene stattgefunden haben – seit dem berühmten Schmatz von EU-Kommis­sionspräsident Jean-Claude Juncker (60) auf Sommarugas Wange.

Deshalb will der Bundesrat die Schutzklausel notfalls auch ohne Segen der EU einführen. «Wir wissen dann nicht, wie die EU darauf reagieren würde», sagte Sommaruga – und wagt verbal den Hosenlupf: Auch die EU habe kein Interesse an ­einer Eskalation, pokert sie. Um sogleich zu betonen, das Personenfreizügigkeitsabkommen würde erst verletzt, wenn die Schweiz die einseitige Schutzklausel erstmals auslöse. Dies ist frühestens 2018 möglich. Der Bundesrat verschafft sich also zusätzlich Zeit für eine Lösung.

Das kritisiert die SVP. Man sei «keinen Schritt weiter, die Schutzklausel eine Alibi-Übung». Die SP ist gegenteiliger Meinung und spricht von «hochriskantem Vertragsbruch».

Die EU ihrerseits liess verlauten, es sei schwierig, aber man führe die Diskussionen mit der Schweiz weiter. Wirtschaftsverbände hingegen, die kein Inte­resse an einer Reduktion der Zuwanderung haben, applaudieren.

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