Umfrage in allen Kantonen
Der Spesengraben der Kantonsregierungen

Westschweizer Regierungsräte beziehen dreimal so hohe Spesen wie ihre Kollegen in der Deutschschweiz.
Publiziert: 18.11.2018 um 12:35 Uhr
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Aktualisiert: 18.11.2018 um 12:56 Uhr
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In Genf protestierten Bürger gegen die Spesen-Exzesse ihrer Regierung.
Tobias Marti (Text) und Igor Kravarik (Illustration)

Cocktails zu später Stunde, Taxifahrten durch die Nacht, eine Handyrechnung von 17'000 Franken. Und alles auf Staatskosten: Der Genfer CVP-Stadtrat Guillaume Barazzone (36) trieb es bunt. Auch seine Amtskollegen in der Stadtregierung sind wahre Spesenritter. Mehr als 120'000 Franken haben sie sich 2017 auszahlen lassen. Offenbar fehlte jegliche Kontrolle über ihre Zusatzaus­gaben. Laisser-faire à Genève.

In der Romandie jagt eine 
Polit-Affäre die nächste: Luxusreisen, Steuerkapriolen, Wahlkampfspenden haben Politstars wie Pierre Maudet (40), Pascal Broulis (53) und Géraldine Savary (40) ins Straucheln gebracht. Und viele Deutschschweizer fragen sich: Ist das ein reines Westschweizer Phänomen?

1000 Franken extra für Frauen – für Kleider

SonntagsBlick hat deshalb die Spesen aller Kantone unter die Lupe genommen: wie viel die Regierungsräte pauschal kassieren und was Supplement oben drauf kommt. Dies regelt jeder Kanton auf seine Art, die Unterschiede sind beträchtlich. Und wie sich zeigt, gehören die Politiker aus der Romandie zu den grössten Spesenrittern.

Im Kanton Freiburg wurden den sieben Regierungsräten im vergangenen Jahr stolze 189'333 Franken Spesen gutgeschrieben. Eine Besonderheit des Kantons: Weibliche Ratsmitglieder erhalten 1000 Franken extra, um 
sich angemessen zu kleiden. Im Kanton Waadt betrugen die Spesen 155'700 Franken, im Wallis 117'500 Franken im Jahr.

Interne Untersuchung zu 2017 und 2018 in Genf

Die Neuenburger Regierung weist 75'000 Franken aus, wobei der Betrag mit Vorsicht zu geniessen ist, denn er beziffert lediglich die Spesenpauschalen. Welche Ausgaben effektiv hinzukommen, wusste die Neuenburger Staatskanzlei auf Anfrage nicht zu beziffern. Das werde in den Departementen abgerechnet, heisst es dazu.

Genf droht, wie sich zeigt, ein weiterer Spesenschock. Denn nach den Exzessen seiner städtischen Kollegen geht der Kanton nun komplett über die Bücher. Eine interne Untersuchung zu den Jahren 2017 und 2018 läuft bereits. Affaire à suivre!

Kluft zwischen Stadt und Land

Im Vergleich zur Romandie erscheinen manche Kantone in der Deutschschweiz regelrecht bescheiden. 2017 gab etwa Schaffhausens Regierung 50'000 Franken für Spesen aus; der Aufwand in Solothurn bewegt sich in einem ähnlichen Rahmen, also auf einem drei Mal niedrigeren 
Niveau als Freiburg oder das Waadtland.

Neben dem Röstigraben zeigt der SonntagsBlick-Vergleich eine weitere Kluft: die zwischen Stadt und Land. Kantone mit grossen urbanen Hauptorten schwingen bei den Spesen obenaus. Im Kanton Bern verbuchte die Regierung zusätzlich zu den Pauschalspesen 144'755 Franken. Ein weiteres Laisser-faire wie in Genf? Die Berner Staatskanzlei beschwichtigt, der Betrag sei nicht mit «normalen» Individualspesen vergleichbar. In dieser Summe seien beispielsweise auch die Kosten für Klausuren, Seminare, Besuche oder Empfänge enthalten.

169'297 Franken Spesengelder genehmigte sich der Regierungsrat in Basel Stadt, der zugleich 
als Stadtregierung amtiert. Diese Doppelfunktion wirke sich auf 
die Reisetätigkeit aus, rechtfertigt sich die Basler Staatskanzlei – und entsprechend auf die Spesen. «Repräsentationsaufgaben im Ausland» wegen Partnerschaften mit Massachusetts (USA) und Shanghai kämen noch hinzu.

KantonMitgliederTotal Spesen und Zulagen im 2017
AG585'500
AR576'444
AI749'281
BL576'756
BS7*169'297
BE7241'356
FR7189'333
GE7**keine Angaben
GL577'424
GR585'984
JU555'583
LU5120'000
NE5***75'000
NW763 000
OW566'000
SG764'400
SH550'000
SZ7110'000
SO556'800
TI5***75'000
TG575'175
UR780'620
VD7155'700
VS5117'500
ZG798'355
ZH7157'568

* Zahlen von 2016, ** interne Untersuchung läuft, ***Zahlen unvollständig

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