Um Rezession zu verhindern
FDP will Mehrwertsteuer halbieren

Im Kampf gegen eine drohende Rezession wollen die Liberalen den Konsum stärken – zulasten von Berns wichtigster Einnahmequelle.
Publiziert: 25.04.2020 um 23:49 Uhr
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FDP-Ständerat Müller: «Einkommensschwache Haushalte unterstützen.»
Foto: Keystone
Simon Marti

Trübe Aussichten? Nein, das ist ein Blick in den Abgrund: Die Prognosen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) sehen 2020 einen Einbruch der Schweizer Wirtschaftsleistung um 6,7 Prozent voraus. Die Kosten der Krise könnten das Land auf Jahrzehnte hinaus belasten. Dabei erfordern bereits die unmittelbaren Folgen der Corona-Pandemie – Überbrückungskredite, Kurzarbeitsgelder – einen tiefen Griff in die Staatskasse.

Nach und nach präsentieren nun die Parteien erste Krisenkonzepte. Die FDP will, wie es in einem Strategiepapier heisst, auch bei den Steuern ansetzen. Ein Vorschlag, der im Sommer vom Parlament behandelt werden dürfte, liegt auf dem Tisch. Darin verlangt Ständerat Damian Müller (35) mindestens die Halbierung der Mehrwertsteuer während eines Jahres. «Das ist keine Sofortmassnahme, aber ein Rezept für die Bewältigung der schweren Rezession. Anders als Konjunkturprogramme greift es auf der ganzen Breite», sagt der Freisinnige.

Debatte, um Konsum anzukurbeln

Müller will eine Debatte darüber anregen, wie sich der Konsum in der Schweiz so ankurbeln lässt, dass «die Substanz unserer Volkswirtschaft» erhalten bleibe.

«Ich bin davon überzeugt, dass eine deutliche Senkung der Mehrwertsteuer besser ist, als Geld verteilen und mit höheren Steuern gleich wieder den Menschen aus dem Sack zu ziehen.» Eine tiefere Mehrwertsteuer bedeute, so der ­Luzerner, dass die Leute mehr Geld im Portemonnaie hätten und ausgäben.

So kämen die heimischen Betriebe zügiger wieder auf die Beine und die Arbeitsplätze blieben erhalten, hofft Müller. Und: «Gerade für die einkommensschwächeren Haushalte fällt die Mehrwertsteuer ins Gewicht, diesen Menschen muss geholfen werden.» 7,7 Prozent Mehrwertsteuer erhebt der Bund beispielsweise beim Erwerb eines Computers. Der reduzierte Satz von 2,5 Prozent wird beim Lebensmitteleinkauf ­fällig, 3,7 Prozent sind es bei einer Hotelübernachtung.

«Sind Firmen Konkurs, wird es teurer»

2019 flossen der Bundeskasse aus diesen Quellen 22,5 Milliarden Franken zu. Wie soll der Staat ausgerechnet jetzt eine Halbierung seiner wichtigsten Einnahme­quelle verkraften? «Da werden Schulden anfallen. Die gilt es in besseren Zeiten wieder abzubauen», so Müller. «Aber sind die Firmen erst einmal in Konkurs, wird es viel, viel teurer und unsere Sozialwerke fahren ungebremst an die Wand.»

Christoph A. Schaltegger, Professor für Politische Ökonomie an der Universität Luzern, bewertet Müllers Vorschlag positiv, schränkt aber ein: «Wenn sich die Wirtschaft nach einem kurzen Einbruch rasch wieder erholt, braucht es keine steuerlichen Massnahmen.»

Steuerausfälle auffangen

Anders liege der Fall, sollte die absehbare Rezession länger andauern: «Dann kann es durchaus Sinn machen, mit steuerlichen Mitteln die Konsumentenstimmung zu verbessern.» Steuerausfälle müssten dabei allerdings im Rahmen ­ der Schuldenbremse aufgefangen werden.

Der Vorstoss gefalle ihm auch deshalb, so Schaltegger, weil er nicht den Partikularinteressen einzelner Branchen folge. Von einer tieferen Mehrwertsteuer könnten sämtliche Wirtschaftszweige profitieren. Zudem sei der FDP-Vorschlag als Postulat formuliert, was es dem Bundesrat ermögliche, ­dessen Vor- und Nachteile in einem Bericht auszuloten.

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