Kurz vor dem Lockdown war Peter Maurer (64), Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), noch in Syrien. Und nach Nahost würde er am liebsten auch gleich wieder reisen, wenn die Corona-Krise es zulassen würde. «Ich denke, dass ich dort den grössten Unterschied machen könnte», sagte Maurer im TheTalk@TheStudio von Ringier und Helvetia.
Im Gespräch mit Moderatorin Christine Maier sprach Maurer davon, welche Auswirkungen die Pandemie für die humanitäre Arbeit hat. So hätten in der Ukraine oder in Kamerun Gegner wieder miteinander gesprochen. Andernorts habe der Streit darüber, wie das Virus am besten bekämpft werde, für zusätzlichen Zündstoff gesorgt.
Vor allem aber seien die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise in armen Ländern viel gravierender als die Pandemie selbst: «Millionen von Menschen haben durch Lockdowns ihr Tagelöhner-Einkommen verloren», so Maurer im Blick-TV-Studio.
Hilfe via Smartphone
Für das IKRK selbst habe Corona vor allem eines bewiesen: Humanitäre Arbeit sei dank der Digitalisierung auch aus dem Home-Office möglich. Nun habe er eben per Video-Konferenz an Gipfeln und mit Staatschefs gesprochen, so Maurer.
Welche Chancen neue Technologien haben, machte Maurer mit einem Beispiel deutlich: Wo immer möglich, würde das IKRK darauf verzichten, Hilfsgüter in Krisenregionen zu transportieren. Und den Menschen dort stattdessen Kredite oder Geld aufs Handy überweisen, damit sie selbst Essen und andere Produkte kaufen könnten. «Das ist effizienter, ökologischer und fördert auch die Selbstbestimmung der Menschen», sagte er.
Konflikte werden nicht mehr gelöst
Zumal sich die Rolle des IKRK gewandelt habe: vom Dienstleister in kurzen Krisensituationen zu einem Dauerhelfer. Denn die Politik, so Maurer, bringen keinen Frieden mehr. Konflikte würden nicht gelöst, sondern bestünden viel länger als früher und würden zunehmend komplexer. «Wir nehmen daher grössere Risiken auf uns», so Maurer.
Für Maurer sind solche gefährlichen Situationen Alltag. Wie er die schrecklichen Bilder, die er in Kriegsgebieten sehe, verarbeite, wolle Christine Maier zum Abschluss von Maurer wissen. «Das gute ist: Ich sehe vor Ort nicht nur einen kleinen Ausschnitt, sondern einen grösseren.» Nicht nur Trümmer und Verletzte, sondern eben auch lachende Kinder. «Aber alle Bilder kann man nicht ausradieren.»