Ulrich Wille: Der vergessene General
Ein grosser Fan der Preussen

Ulrich Wille war General im ersten Weltkrieg, verehrte Deutschland und liess gegen Arbeiter Soldaten einsetzen. Er hat im Unterschied zu Kollege Guisan kein Denkmal.
Publiziert: 02.06.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:47 Uhr
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Kaiser-Manöver: Generalstabschef Theophil Sprecher, der spätere General Ulrich Wille und der deutsche Kaiser Wilhelm II. (v. l.).
Foto: KEYSTONE
Von Walter Keller

Dass Ueli und Ulrich sich verstanden hätten, ist unwahrscheinlich. Der General der Schweizer Armee Ulrich Wille hätte am Sonntag der Gripen-Ablehnung vermutlich die Fassung verloren und dem Bundesrat in corpore vorgeworfen, eine stümperhafte Propaganda für den neuen Flieger veranstaltet zu haben.

Zwar kein Feind der Demokratie, will der kantige General Ulrich Wille Parlament und Bundesrat im Ersten Weltkrieg immer mal wieder vom «hohen Ross runterholen». Als flammender Militarist ist er überzeugt: Einer muss im Sattel sitzen und mit der Peitsche zeigen, wo das Ross hinlaufen soll.

Ulrich Wille wird 1848 in Hamburg (D) geboren. Im gleichen Jahr entsteht in der Schweiz der heutige Bundesstaat. 1851 zieht die Familie von der Hansestadt nach Meilen am Zürichsee. Der kleine Ulrich geht nicht nur in die Volksschule, er erhält auch Kadettenunterricht. Er studiert Recht und wird Instruktionsoffizier der Artillerie, später Waffenchef. 1904 ist er bereits Korpskommandant. Als Dozent für Militärwissenschaft am Polytechnikum in Zürich, heute ETH, setzt er die Gründung einer Militärschule für ­Instruktionsoffiziere durch.

In Preussen gelernt: Drill und eiserne Disziplin

Ulrich Wille verändert die Armee grundlegend. Sein Credo, das er gegen Widerstände von republikanisch-demokratischen Kreisen durchsetzt: Nur richtiger Drill, harte Erziehung und strikte Führung werden das Schweizer Milizheer für den Kampf stählen. Strenge Autorität des Offiziers und eiserne Disziplin des Soldaten sind der Stoff, aus dem sich Willes Traumarmee nach preussischem Vorbild zusammensetzen soll.

Die «tiefen Gräben, welche die Schweiz spalteten: zwischen Arbeitern und Bürgertum», so der Historiker Thomas Maissen, dominieren auch die Armee in den Jahren 1914 bis 1918: oben Ross und Reiter und ihr im August 1914 zum General gewählter, Deutschland-freundlicher Chef. Unten das Fussvolk, das gegen Ende des Krieges immer lauter murrt, 1918 streikt, den Streik aber «nicht zuletzt aus Angst vor einem Zusammenstoss mit den Truppen» abbricht, wie der Militärhistoriker Rudolf Jaun sagt.

Der Oberfeldarzt fragte: Ist Wille senil?

Der Rücktritt des inzwischen 70-jährigen Generals nach dem Kriegsende im November 1918 verläuft ohne Pomp. Demütigend muss für ihn sein, dass der Oberfeldarzt der Armee 1917 die Frage stellt, ob Wille mit seinem Beharren auf Autorität und seinem starren militaristischen Weltbild nicht senil sei – und die Frage sogar im Bundesrat diskutiert wird. Willes Verdienste werden nach seinem Abschied im Dezember 1918 zwar anerkannt, nicht aber sein Abschlussbericht über die letzten vier Jahre. Nach seinem Tod 1925 verschwindet er jahrzehntelang aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit.

Wille bewunderte Deutschland: «Gross in Allem»

Ein Donnerschlag bringt ihn 1987 wieder zurück. Der kritische Journalist Niklaus Meienberg veröffentlicht in seinem Buch «Die Welt als Wille und Wahn» private Briefe Ulrich Willes an seine Frau Clara, eine geborene Gräfin von Bismarck. Den Zugang zu den Briefen hat sich Meienberg schlaumeierisch erschlichen.

Das Publikum staunt, als es Sätze des Generals wie diese liest: «Ob wir noch erleben, dass die Welt erkennt und zugesteht, wie gross Deutschland in diesem grössten Kriege aller Zeiten dasteht. Gross in Allem. Leb wohl mein Schatz, Gott behüte Dich.»

Inzwischen ist es wieder ruhig geworden um den General.  Keine grossen Gedenkfeiern, nicht mal eine offizielle Biografie, kein Denkmal. Ganz im Gegensatz zu General Henri ­Guisan. Wer nach einem Ulrich-Wille-Haus sucht, findet nur ein SAC-Haus. Vielleicht findet Ueli Maurer trotz Gripen-Niederlage und Budgetkürzungen doch noch ein paar Franken und lässt ein würdiges Denkmal bauen.

Ein Statue als Erinnerung an längst vergangene Zeiten, als die Armee noch fest im Sattel sass und das Ross, sprich das Volk, mit seiner Peitsche piesacken konnte. Heute ist die Armee selber das Ross und Ueli Maurer der Reiter, dem der Souverän die Richtung vorschreibt.

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