Ulrich Giezendanner (65, SVP) tritt ab – nach 28 Jahren im Nationalrat. Doch die Politikerfamilie politisiert in Bundesbern nahtlos weiter. Sohn Benjamin (37) schaffte am Sonntag den Sprung für die SVP in die grosse Kammer. Mit einem Glanzresultat: «De chlii Giezi» holte im ganzen Kanton Aargau am zweitmeisten Stimmen.
BLICK traf Vater und Sohn gestern im familieneigenen Transportunternehmen in Rothrist AG. Dort ist Ulrich vor vier Jahren aus der Führerkabine gestiegen. Nun übergibt er auch in der Politik das Steuer an seinen jüngsten Sohn. Nicht jedoch, bevor er noch einige Ratschläge losgeworden ist.
«Nimm dich vor Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga in Acht», sagt er. Sie sei blitzgescheit, sehr sympathisch und habe sich in kürzester Zeit in die Verkehrsdossiers eingearbeitet. Nun versuche sie schleichend, den ÖV zu stärken und den Privatverkehr zu schwächen. «Für einen bürgerlichen Verkehrspolitiker wie mich und meinen Sohn ist sie hochgefährlich.»
Verkehrspolitik im grüneren Parlament
Tatsächlich will Benjamin Giezendanner insbesondere die Verkehrspolitik seines Vaters in Bern weiterführen. Er hofft, in der Verkehrskommission Einsitz zu nehmen, in der es nun zwei oder gar drei SVP-Vakanzen gibt.
Nach der grünen Flut, die von der Strasse ins Bundeshaus getragen wurde, dürften es die SVP-Positionen gerade in der Verkehrs- und Umweltpolitik viel schwerer haben. Für Giezendanner junior eine zusätzliche Herausforderung: «Es braucht Praktiker und nicht nur Theoretiker in Bern.» Als Transportunternehmer wisse er, was möglich sei und was eben nicht.
Auch er versuche, grüner zu werden, wie er beteuert. Etwa mit Elektro-Lastwagen, die er im nächsten Frühling in Betrieb nehmen werde, und mit einer grossen Solaranlage auf dem Firmendach. Das Problem: «Im Winter haben wir viel zu wenig Sonne, um die LKW in Betrieb zu halten.» Die grüne Politik, die in Solaranlagen die Lösung aller Probleme sehe, sei eben utopisch und führe in eine gewaltige Stromlücke.
«Ich bin viel chaotischer»
Sagts – und redet sich fast genauso in Rage, wie man es von Vater Ulrich kennt. Das SVP-Urgestein wird wegen seiner fadengraden und lauten Art und den stets sehr emotionalen Voten sowohl geschätzt wie kritisiert. «Auch ich bekomme einen roten Kopf, wenn ich mich ärgere. Vielleicht ist meine Zündschnur ein wenig länger», sagt Sohn Benjamin.
Doch gibt es überhaupt Unterschiede zwischen den beiden? Er gehöre zu einer anderen Generation, sagt Benjamin Giezendanner, der mit 18 Jahren in den Grossrat gewählt wurde – als Jüngster überhaupt. Sein Vater habe es um einiges schwerer gehabt – und spricht die zwei Schicksalsschläge an, welche Ulrich Giezendanner in aller Härte trafen. Erst verloren seine Frau und er in jungen Jahren einen Sohn wegen einer Hirnhautentzündung. Später starb seine Frau an Krebs.
Für Benjamin Giezendanner, der neben Politik und Beruf zweifacher Familienvater und im Militär Hauptmann ist, sind die Prioritäten klar: «Meine Familie und mein Geschäft gehen vor. Wenn das Amt des Nationalrats zu viel ist, gebe ich diesen Traum auf.» Doch sein Vater glaubt, dass er alles unter einen Hut bringt. «Er hat eine viel systematischere Arbeitsweise, ich bin viel chaotischer.»
SVP Aargau mit heftiger Wahlschlappe
Eine systematische Analyse des Wahlergebnisses hat nun die SVP Aargau vor sich. Sie stürzte am Sonntag regelrecht ab. «Es war ein richtiges Blutbad», sagt Ulrich. Wenn man sechs Prozent verliere, könne man nicht einfach von einer kosmetischen Korrektur sprechen und zur Tagesordnung zurückkehren.
Gestern Abend musste jedoch nicht mehr der «Arena»-Dauergast Ulrich, sondern Sohn Benjamin im SRF die Wahlschlappe seiner Partei erklären. Auch für diesen Auftritt hatte der Vater noch einen Tipp parat: «Zieh dir ein neues, sauberes Hemd an.»
Nicht nur die Giezendanners – auch andere Familien wurden am Sonntag zu Familien-Dynastien. Die Lebenspartnerin des früheren SVP-Präsidenten Toni Brunner (45), Esther Friedli (42), kann für St. Gallen in Bern politisieren. In Uri schaffte Simon Stadler (31, CVP) die Wahl. Er ist der Sohn von Hansruedi Stadler (66), der beim Ja zur Alpen-Initiative 1994 als «tanzender Landammann» in die Geschichte einging. Im Aargau wurde Marianne Binder (61) gewählt, die Tochter des früheren CVP-Nationalrats Anton Keller (84). Und auch das erste Nationalrats-Ehepaar ist mit seinem Sohn Kilian Baumann (38) wieder im Nationalrat vertreten. Seine Eltern, Ruedi Baumann (71, Grüne) und Stephanie Baumann (67, SP), sassen in den 90er-Jahren gemeinsam im Parlament. Sohn Kilian entschied sich für die Partei des Vaters, was sich nun bewährte.
Nicht nur die Giezendanners – auch andere Familien wurden am Sonntag zu Familien-Dynastien. Die Lebenspartnerin des früheren SVP-Präsidenten Toni Brunner (45), Esther Friedli (42), kann für St. Gallen in Bern politisieren. In Uri schaffte Simon Stadler (31, CVP) die Wahl. Er ist der Sohn von Hansruedi Stadler (66), der beim Ja zur Alpen-Initiative 1994 als «tanzender Landammann» in die Geschichte einging. Im Aargau wurde Marianne Binder (61) gewählt, die Tochter des früheren CVP-Nationalrats Anton Keller (84). Und auch das erste Nationalrats-Ehepaar ist mit seinem Sohn Kilian Baumann (38) wieder im Nationalrat vertreten. Seine Eltern, Ruedi Baumann (71, Grüne) und Stephanie Baumann (67, SP), sassen in den 90er-Jahren gemeinsam im Parlament. Sohn Kilian entschied sich für die Partei des Vaters, was sich nun bewährte.
Am 20. Oktober finden die eidgenössischen Parlamentswahlen in der Schweiz statt. Die insgesamt 200 Sitz im Nationalrat werden nach Anzahl Bevölkerung auf die Kantone verteilt und müssen neu gewählt werden. Auch die 46 Sitze des Ständerats werden neu vergeben.
BLICK bietet rund um die Uhr die aktuellsten Informationen zum Wahlkampf, der politischen Themenagenda der Parteien und Kandidaten, der Sitzverteilung im Parlament und den Wahlergebnissen.
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