Überwachung, mehr Prozesse, Ausreisesperren
Bund will Terror mit 6-Punkte-Plan bekämpfen

Ein neuer Anti-Terror-Bericht des Bundes benennt sechs zentrale Punkte, um einen Anschlag zu verhindern. Es bestehe Handlungsbedarf. So hat der Geheimdienst bereits 500 mögliche Terroristen auf dem Radar. Die Zahl der Dschihad-Reisenden ist auf 83 angestiegen.
Publiziert: 14.03.2017 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:42 Uhr
Nico Menzato

«Der dschihadistische Terrorismus ist hier. Im Herzen von Europa», schreibt die Direktorin des Bundesamts für Polizei, Nicoletta della Valle, im heute veröffentlichten grossen Terrorbericht der Taskforce des Bundes. Daran beteiligt sind alle, die Rang und Namen haben: das Fedpol, der Nachrichtendienst, das Aussendepartement, die Bundesanwaltschaft und die Konferenz der für den Straf- und Massnahmenvollzug zuständigen Kantonsbehörden.

 

Der «Low-Cost-Terrorismus» könne überall und jederzeit zuschlagen, warnt della Valle. Der Kampf dagegen sei komplex: «Die Radikalisierung setzt oft schleichend ein; die Profile der betroffenen Personen sind vielfältig, die Anschläge werden mit geringen Mitteln und minimaler Planung ausgeführt; der Schritt zur Tat erfolgt unvermittelt, und die Wahl der Opfer ist unspezifisch.»

Die Zahl der Terror-Aktivitäten hat hierzulande stark zugenommen. Das sind die neusten Zahlen: 

83 Dschihad-Reisende

Dschihad-Reisende sind dschihadistisch motivierte Personen aus der Schweiz, die in Konfliktgebieten waren oder sich noch immer dort befinden. 67 reisten nach Syrien und in den Irak. 22 sind gestorben. Die Anzahl der Rückkehrer beläuft sich auf 14. Mindestens 30 der 83 Dschihad-Reisenden sind Schweizer.

497 Personen sind auf dem Radar des Nachrichtendienstes

Die Schlapphüte – Leute im Aussendienst – wurden auf sie aufmerksam, «weil sie in der Schweiz oder von der Schweiz aus Propagandamaterial zur Verherrlichung der dschihadistischen Ideologie verbreiteten oder mit Personen in der Schweiz oder im Ausland in Verbindung standen, die diese Ideen vertraten», wie es im Bericht heisst. Gegen 60 Personen läuft ein Strafverfahren der Bundesanwaltschaft

Was können Bund und Kantone tun, um Terror in der Schweiz zu verhindern? Und wie kann jedermann mithelfen zu verhindern, dass sich Personen radikalisieren?

Der Terrorbericht stellt einen 6-Punkte-Plan gegen Selbstmordattentäter auf:

1. Die Zeit der Zivilgesellschaft. Ziel: Radikalisierung verhindern

«Die Täterprofile sind mannigfaltig – es gibt Konvertiten, Abkömmlinge stabiler Familien, oft sind es ungebildete, haltlose Kleinkriminelle», heisst es im Bericht.

Die Phase einer beginnenden Radikalisierung sei von entscheidender Bedeutung. Hier könne die Früherkennung einsetzen und die Spirale der Radikalisierung durchbrochen werden. Mehr noch: So sei das «effizienteste Instrument der Terrorismusbekämpfung» die Verhinderung einer Radikalisierung.

Gefordert sind hier alle, Augen und Ohren offen zu halten. Kantone und Gemeinden sollen starke, wirksame, gut verankerte und vernetzte Strukturen zur Radikalisierungsprävention aufstellen. Wie etwa die Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention (FSEG) in Winterthur. Diese bietet unter anderem vertrauliche sowie anonyme Beratungen in verschiedenen Sprachen an.

2. Die Zeit der Geheimdienste. Ziel: Radikale aufspüren 

497 auffällige Internetnutzer haben die Schlapphüte bis Ende 2016 identifiziert. Asylbewerber aus Risikoländern werden doppelt überprüft. 2016 prüfte der NDB 5202 Asyldossiers auf eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Schweiz hin. In 14 Fällen empfahl er aufgrund relevanter Sicherheitsbedenken die Ablehnung des Asylgesuchs bzw. er wies auf ein potenzielles Sicherheitsrisiko hin.

Bald haben die Geheimdienste mehr Möglichkeiten: Die Schweizer haben 2016 das neue Nachrichtendienstgesetz angenommen. Im September 2017 tritt es in Kraft. «Allerdings wird es auch mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz nicht möglich sein, zum Beispiel alle in die Schweiz zurückkehrenden Dschihad-Reisenden oder sämtliche anderen Terrorverdächtigen unter Beobachtung zu stellen», heisst es im Bericht mit etwas traurigem Unterton. 

3. Die Zeit der Polizisten. Ziel: Dschihadisten dingfest machen

Im Jahre 2016 verfügte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) 107 Einreiseverbote gegen Personen, die verdächtigt werden, terroristische oder gewaltextremistische Handlungen zu begehen oder verbotene Gruppierungen und Organisationen zu unterstützen. Eine massive Zunahme: 2015 waren es lediglich 17 Einreiseverbote. Grund für diese Zunahme: Die Bedrohungslage hat sich verschärft! 

Wie aber geht das Fedpol gegen mögliche Terroristen vor? «Das Schengener Informationssystem (SIS) ist das zentrale Instrument zur Bekämpfung des Terrorismus», so der Bericht. 

Der Bundesrat habe jedoch erkannt, dass die verfügbaren präventiv-polizeilichen Massnahmen nicht ausreichen würden. Deshalb sollen weitere Massnahmen ausgearbeitet werden. Etwa die Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen auf einem Polizeiposten, der Entzug von Ausweisen oder auch die Möglichkeit für das Fedpol, verdächtige Personen verdeckt im Schengener Informationssystem zu registrieren.

4. Die Zeit der Juristen. Ziel: Dschihadisten verurteilen

Gibt es genügend belastendes Material, kann die Bundesanwaltschaft ein Strafverfahren eröffnen. Die Strafverfolgungsbehörden bekommen bald neue Hebel in die Hand: Anfang nächsten Jahres tritt das neue Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) in Kraft. Mutmassliche Straftäter sollen sich damit nicht mehr so einfach der Überwachung durch die Strafverfolgungsbehörden entziehen können. Was die Sammlung von Beweisen einfacher macht.

Und zu Verurteilungen führen kann: 2015 und 2016 reichte die Bundesanwaltschaft beim Bundesstrafgericht (BStGer) zwei Anklageschriften ein. «Beide Fälle wurden 2016 verhandelt und führten zu Verurteilungen. Im selben Jahr folgten weitere Verurteilungen, vor allem in Form von Strafbefehlen», heisst es im Bericht.

5. Die Zeit der Gefängniswärter. Ziel: Flucht verhindern

Hier gibt der Bericht wenig her: Es werde derzeit geprüft, wie der Informationsfluss zwischen den Vollzugsbehören und den mit der Strafverfolgung befassten Stellen optimiert werden könne, heisst es einzig.

6. Die Zeit danach. Ziel: Gesellschaft vor den (ehemals) Radikalen schützen

Wie werden ehemalige Dschihadisten wieder in die Gesellschaft eingegliedert? Welche können ausgeschafft werden? Und wie werden jene, die hierbleiben, begleitet? Und wie wird die Gesellschaft von ihnen geschützt?

Die Behörden stellen dazu erst einmal Fragen – ohne diese zu beantworten. Es bleibt auch noch Zeit: offenbar steht kein in Haft genommener Dschihadist vor einer Entlassung.

Erste Ideen sind aber bereits vorhanden. So sollen neue polizeiliche Massnahmen ausserhalb des Strafverfahrens eingeführt werden: Etwa eine Reisedokumentensperre oder eine Meldepflicht.

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