Welche Parteien sind am stärksten mit dem Gesundheitswesen verbandelt – und wer mit wem genau?
Die Antwort fällt überraschend aus. Am meisten Mandate hat die SP-Fraktion gesammelt: 58 Verbindungen ins Gesundheitswesen lassen sich anhand des Registers der Interessenbindungen belegen, drei mehr, als die Fraktion Mitglieder hat. 40 Mandate haben die Genossen bei Leistungserbringern wie Ärzten, Spitälern und Pflegeinstitutionen, 15 bei Präventionsvereinen oder Patientenvertretungen wie der Aidshilfe. Zudem gibt es drei SP-Verbindungen zu pharmanahen Forschungsstiftungen. Nur mit den Kassen sind die Sozialdemokraten nicht verbandelt.
CVP an der Spitze
Gemessen an der Fraktionsstärke jedoch muss die CVP als Partei des Gesundheitsfilzes gelten: Ihre 43 National- und Ständeräte haben 56 Mandate, vor allem bei Leistungserbringern und Patientenorganisationen, es gibt aber auch neun Kassen- und sieben Pharma-Mandate. Die Königin der Gesundheitslobbyisten ist ebenfalls CVP-Mitglied: Ruth Humbel (59) übt zwölf «Ämtli» bei Kassen, Spitälern, in Stiftungen und Pflegeinstitutionen aus. Obwohl die Aargauer Nationalrätin als Kassenlobbyistin kritisiert wird, hat sie viele Mandate von Kliniken und Pflegeheimen.
Auf Platz zwei der bestvernetzten Gesundheitspolitiker folgt FDP-Ständerat Joachim Eder (65). Der Zuger Ex-Regierungsrat kommt auf zehn Mandate. Auch er deckt von Leistungserbringern über Pharma bis zu den Kassen alle Sparten ab. Und ist damit beispielhaft für seine Fraktion. Denn wer meint, die FDP engagiere sich vor allem für die freie Wirtschaft – also Kassen und Pharmaindustrie –, der irrt: 25 (und damit mehr als die Hälfte der 45 FDP-Mandate) kommen Leistungserbringern zugute.
Zutrittsausweise für die Wandelhalle an die Pharma-Industrie
Kassen sind beim Freisinn nur mit sechs Mandaten vertreten, die Pharmaindustrie mit acht. Die darf sich auch darüber freuen, dass sie von der FDP vier Zutrittsausweise für die Wandelhalle bekommen hat – entweder direkt oder indirekt über PR-Agenturen, die unter anderem für Pharmakonzerne arbeiten.
Die wahre Partei der Krankenversicherer ist die SVP. 19 ihrer 50 Mandate sind Kassen-Mandate. An der Spitze steht Santésuisse-Präsident Heinz Brand (61). Doch auch andere prominente Köpfe der Volkspartei wie Fuhrhalter Ulrich Giezendanner (63) oder Ständerat Roland Eberle (63) stehen auf der Lohnliste der Kassen.
Groupe Mutuel konnte am meisten Parlamentarier gewinnen
Und selbstverständlich Nationalratspräsident Jürg Stahl (49), der für die Groupe Mutuel arbeitet – jene Kasse, welche die meisten Parlamentarier für sich gewinnen konnte.
Am dünnsten ist der Gesundheits-Filz bei den Grünen: Gerade zwei Mandate kommen in der 13-köpfigen Fraktion zusammen. Fraktionschef Balthasar Glättli (45) setzt sich für Prothesenträger ein, die Berner Nationalrätin Christine Häsler (54) sitzt im Verwaltungsrat eines Ärztehauses.
Die mächtigste Lobby aber ist nicht durch Parteigrenzen definiert, sondern durch den Graben zwischen den Räten selbst: 46 Ständeräte – egal aus welcher Partei – sorgen dafür, dass die Kantone nicht vergessen gehen. Und an denen hängt der unfassbar teure Spitalbereich, der allein für knapp 35 Prozent aller Gesundheitskosten verantwortlich ist.