Doris Leuthard liebt den Tanz auf dem diplomatischen Parkett. Im April – zum Beispiel – belebte sie als Bundespräsidentin beim Staatsbesuch in Argentinien die bisher frostigen Beziehungen neu. Und nun, da mit dem Rücktritt von Didier Burkhalter das Aussendepartement (EDA) frei wird, bietet sich der 54-jährigen Aargauerin die Chance, den diplomatischen Tango zum Volljob zu machen. Laut Quellen, die ihr nahestehen, reizt Leuthard der Job als Aussenministerin, und sie überlegt sich ernsthaft einen Wechsel. Der Zeitpunkt wäre günstig. Im Umwelt-, Verkehrs- und Energiedepartement (Uvek), das sie seit sieben Jahren führt, hat sie die Energiestrategie vor einem Monat ins Trockene gebracht.
Für Leuthard läge der Wechsel auch wegen des verfahrenen Europa-Dossiers auf der Hand. Denn Burkhalters Rücktritt hat sie etwas in die Bredouille gebracht. Schuld daran ist Jean-Claude Juncker. Als Leuthard zu Beginn ihres Präsidialjahrs Anfang April zum Antrittsbesuch nach Brüssel reiste, nahm sie den Mund etwas gar voll. Gemeinsam mit dem Präsidenten der EU-Kommission kündigte sie an, dass die Blockade in den bilateralen Beziehungen nun wieder gelöst sei. Und: Bis Ende dieses Jahres soll das umstrittene Rahmenabkommen unterschriftsreif sein.
Und jetzt, wo Burkhalter weg ist, bleibt das Dossier an der Bundespräsidentin hängen, denn alle anderen Bundesräte lassen die Hände von diesem schwierigen Geschäft. So könnte Leuthard wohl machen, was ihrer Art entspricht. Statt sich wegzuducken packt sie den Stier bei den Hörnern.
Innenpolitischer Rückhalt fehlt
Die Europapolitik wäre aber erst einmal Knochenarbeit, denn das institutionelle Rahmenabkommen für die Bilateralen, auf das die EU drängt, enthält derzeit zur Streitschlichtung die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs. Dafür fehlt in den Parteien aber der innenpolitische Rückhalt. Burkhalters Nachfolger muss wohl noch mal mit der EU verhandeln und dann das Schweizer Stimmvolk von solch einem Abkommen überzeugen.
Gerade wegen der schwierigen innenpolitischen Front kommt der Plan «Aussenministerin Leuthard» bei einigen Parlamentarierinnen gut an. Selbst ausserhalb der CVP: Laut GLP-Fraktionschefin Tiana Moser sei es gerade im Europa-Dossier wichtig, die Bevölkerung zu überzeugen. «Das traue ich Doris Leuthard zu.» Sie geniesse viel Sympathie in der Bevölkerung. «Und Leuthard hat die Schweiz im Ausland durch ihre kommunikative und positive Art immer gut vertreten und sich ein gutes Netzwerk aufgebaut», so Moser.
«Sie hat die Qualitäten»
Parteikollegin Kathy Riklin schwärmt von ihrer Bundesrätin: «Sie hat die Qualitäten, im Europa-Dossier echte Fortschritte zu erzielen.» Leuthard sei auch die Wunschkandidatin vieler Diplomaten, weil sie sympathisch auftrete und diplomatisch geschickt agiere. SP-Aussenpolitiker Eric Nussbaumer lässt durchblicken, dass sie sicher zu den interessanten Kandidatinnen für den Job im EDA zähle.
Die CVP-Bundesrätin selbst lässt über ihre Sprecherin ausrichten, sie habe «nach wie vor grosse Freude daran, die im Uvek angesiedelten Dossier zu gestalten und die Bundesratssitzungen zu leiten». Ein Wechsel stehe nicht zur Diskussion.
Sind also die Planspiele alles nur Gerüchte? Vieles spricht dagegen. Vor allem auch die Lehre, dass Dementis rund um Bundesratswahlen eine kurze Halbwertszeit haben können.