100 Tage hatten sie Zeit, 99 haben sie gebraucht. Die Aktivisten hinter dem Frontex-Referendum teilten am Mittwochabend, nur einen Tag vor dem offiziellen Einreichungstermin bei der Bundeskanzlei mit, dass sie «weit über 55'000 Unterschriften» gesammelt hätten. Nötig sind 50'000 gültige.
Dass das Referendum zustande kommt, ist eine Überraschung. Vor Weihnachten hatten die linken Aktivisten erst 10'000 Unterschriften gesammelt. Die eisige Kälte und die Omikron-Variante erschwerten die Unterschriftensammlung stark.
Abstimmung im Mai
Nun sollen die Unterschriften am Donnerstag um 17 Uhr der Bundeskanzlei übergeben werden. Diese prüft dann, ob genügend Unterschriften gültig sind. Denn bisher sind kaum Unterschriften beglaubigt worden. Falls es reicht, startet für das Referendumskomitee um das Migrant Solidarity Network, das unter anderem von SP, Grünen, Jungen Grünen und der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) unterstützt wird – schon bald der Abstimmungskampf.
Denn der Bundesrat hat die Abstimmung über die Frontex-Vorlage am 15. Mai angesetzt – genauso wie das Netflix-Referendum und das Referendum gegen das Transplantationsgesetz.
Schweizer Beitrag würde erhöht
Die Schweizer Bevölkerung wird dann darüber entscheiden, ob der jährliche Betrag der Schweiz an die europäische Grenz- und Küstenwache Frontex von 14 Millionen auf 61 Millionen erhöht werden soll. Der Grund: Die EU rüstet Frontex seit 2016 mit deutlich mehr Personal und Material aus. Auch die Schweiz muss sich als Schengen-Mitglied an diesem Ausbau beteiligen. Ansonsten droht ihr der Ausschluss aus der Schengen-Dublin-Zusammenarbeit.
Das Parlament stimmte der Erhöhung des Schweizer Beitrags im Herbst knapp zu. SP, Grüne und auch Teile der SVP hatten sich dagegen gewehrt. Die linken Parteien hatten in der Folge das Referendum gegen die Frontex-Vorlage unterstützt. In Ihren Augen steht Frontex für die «Festung Europa», für illegale Abschiebungen von Migrantinnen und Migranten an der EU-Aussengrenze.
Junge Grüne wollen Frontex ganz abschaffen
Das sehen auch die Jungen Grünen so. In einer dringlichen Resolution, über die die Delegierten diesen Samstag entscheiden werden, gehen sie noch einen Schritt weiter und fordern die Abschaffung von Frontex. Co-Präsidentin Julia Küng sagt: «Frontex schafft eindeutig mehr Leid, als dass sie uns hilft.»
Auch sie glaubt, dass es eine Grenzuschutzbehörde braucht, allerdings eine «alternative», wie sie sagt. «Eine, die die Menschen in Empfang nimmt und ihnen sichere Fluchtrouten nach Europa ermöglicht – nicht eine Abwehrmaschinerie wie Frontex.»
Dass die Schweiz nicht alleine über das Weiterbestehen von Frontex entscheiden kann, ist Julia Küng klar. Es gehöre aber zu den Aufgaben einer Jungpartei auch «mittelfristige Projekte» anzuregen.