Das Ausmass der Übergriffe in der Kölner Silvesternacht wird deutlicher: Gestern teilte die Polizei mit, dass der Ermittlungsgruppe «Neujahr» bereits 379 Strafanzeigen vorliegen. In rund 40 Prozent davon gehe es auch um Sexualdelikte. Noch am Freitag war von 170 Strafanzeigen die Rede. Die Zahl der Anzeigen aus anderen Städten wie Hamburg stiegen gestern ebenfalls weiter an. Gemäss Polizeiangaben stammen die mutmasslichen Täter mehrheitlich aus nordafrikanischen und arabischen Ländern. In den ersten Tagen nach den Übergriffen war die Herkunft der Täter von den Behörden noch verschwiegen worden.
In der Schweiz ist es dagegen üblich, dass Polizei und Presse Staatsangehörigkeit von Tatverdächtigen nennen. Auch detailliertes Zahlenmaterial ist erhältlich. Das Bundesamt für Statistik weist die Nationalitäten bei den Beschuldigten von Strafanzeigen aus. Eine Auswertung der Daten in der Kategorie «Sexuelle Integrität» aus den Jahren 2012, 2013 und 2014 zeigt, dass es insgesamt 5912 Anzeigen gegen Schweizer gab, schreibt die «Sonntagszeitung». Tunesier wurden 79 Mal eines solchen Deliktes beschuldigt, Marokkaner 47 Mal. Gegen Algerier wurden 36 Anzeigen eingereicht, gegen Iraker 56 und Syrer 20. Rechnet man diese Zahlen auf eine angenommene Bevölkerung von 100 000 Menschen hoch, ergibt dies bei den Schweizern rund 32 Beschuldigte pro Jahr. Bei den Tunesiern sind es 354, bei den Marokkanern 196, den Algeriern 280, den Irakern 252 und bei den Syrern 100.
Die Wahrscheinlichkeit, wegen eines Sexualdelikts angezeigt zu werden, liegt bei Tunesiern in der Schweiz gemäss diesem Vergleich also um mehr als zehnmal höher als bei einem Einheimischen – dies alles unter dem Vorbehalt, dass die Zahl der jungen Männer in den genannten Bevölkerungsgruppen höher liegt als in der Schweizer Durchschnittspopulation und der tatsächliche Vergleichswert wohl ein wenig tiefer liegt.
Bei besonders schweren Delikten wie Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung waren die Mehrheit der Täter Ausländer. Bei den Vergewaltigern betrug ihr Anteil 64 Prozent, bei der sexuellen Nötigung 55 Prozent, schreibt die «Schweiz am Sonntag». Insgesamt gab es 2014 in der Schweiz 1021 rechtsgültige Urteile im Zusammenhang mit Delikten gegen die sexuelle Integrität. In zwei Drittel der Fälle waren Schweizer Männer die Täter. Besonders oft wurden sie wegen verbotener Pornografie verurteilt, in 417 Fällen.
Rechtsmedizinerin Ursula Klopfstein sagt: Sexuelle Gewalt sei die Folge eines verzerrten Frauenbildes. «Wenn im Ursprungsland Frauen als minderwertig behandelt werden, dann kann Gewalt gegen Frauen in gewissen Gruppen gehäuft beobachtet werden.»