Türkischer Kreationist weibelt in Bundesbern
Dicke Post für Parlamentarier

Die Evolutionstheorie von Charles Darwin ist die Wurzel allen Übels. Diese Meinung vertritt ein türkischer Autor. Tausende Exemplare seines Buchs schickte er an Politiker und Wissenschaftler. Auch Schweizer Parlamentarier haben das umstrittene Buch erhalten.
Publiziert: 28.03.2017 um 15:18 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 17:31 Uhr
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Auch der Aargauer BDP-Nationalrat Bernhard Guhl hat dicke Post vom türkischen Kreationisten Adnan Oktar erhalten.
Foto: Patrick Luethy
Benedikt Theiler

Das Lobbying in Bundesbern nimmt manchmal seltsame Formen an. Zum Beispiel, wenn Bundesparlamentarier ein fünf Kilogramm schweres, 800 Seiten dickes Buch ungefragt nach Hause geschickt bekommen. Wie die «Aargauer Zeitung» berichtet, ist kürzlich ein solches bei mehreren Politikern eingetroffen. Es stammt vom türkischen Kreationisten Adnan Oktar.

Muslime sammeln gegen Sexualkunde-Unterricht

Schon im letzten Jahr hatten Türken in der Wandelhalle für ihre Anliegen lobbyiert. Wie der SonntagsBlick im März dieses Jahres berichtete, handelte es sich damals um Vertreter der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Dieselbe Organisation macht heute in Europa aggressiv Werbung für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und die Verfassungsänderung in der Türkei. Wer damals den türkischen Lobbyisten den Zugang zum Parlament verschaffte, blieb unklar.

In Kontakt mit der UETD kam auch Nationalrat Sebastian Frehner. Die UETD half dem Basler SVP-Politiker bei der Sammlung von Unterschriften für seine Volksinitiative gegen zu frühe Sexualkunde an Schulen. 

Evolutionstheorie ist die Wurzel allen Übels

In ähnliche Richtung geht nun das umstrittene Buch «Atlas der Schöpfung» von Oktar. Der Kreationist und Gegner des Darwinismus sieht in der Evolutionstheorie die Wurzel allen Übels, die unter anderem zu Hitlers Faschismus und Stalins Kommunismus geführt habe.

Im Gegensatz zur wissenschaftlich abgestützten Theorie von Charles Darwin, dass sich das Leben auf der Erde über Jahrmillionen entwickelt hat, glauben Kreationisten an die Schaffung des Universums, des Lebens und der Menschen durch die Hand eines Schöpfergottes. Gleiches gilt für muslimische Kreationisten, die wegen des Widerspruchs zum Koran die Evolutionslehre ablehnen.

Tausende Exemplare versendet

Bereits mehrere Tausend Exemplare seines Werks hatte Oktan an Politiker und Wissenschaftler in ganz Europa versendet. Wer diese kostspielige Verteil-Aktion des Autors finanziert, ist laut «Aargauer Zeitung» nicht bekannt.

Klar ist, Oktan ist eine schillernde Figur. Mittels Bücher, sozialer Medien und dem Fernsehen vermittelt er seine Botschaften weit über die Grenzen der Türkei hinaus. Nach einer Verteil-Aktion in Deutschland stand der Autor gar unter Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes.

Direkt im Abfall gelandet

Dass in Bundesbern lobbyiert wird, sind sich die Schweizer Parlamentarier gewohnt. Darum reagieren sie gelassen auf die Verteil-Aktion. Doch erstaunt über das umfangreiche Buch sind sie allemal, wie der Aargauer BDP-Nationalrat Bernhard Guhl der «Aargauer Zeitung» bestätigt. Dem Absender müsse viel Geld zur Verfügung stehen, meint er. Trotzdem sei das Buch bei ihm zu Hause direkt im Abfall gelandet.

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