Türkischer Aussenminister Mevlüt Cavusoglu will in die Schweiz
Türken-Besuch mit alles scharf

Der Besuch des türkischen Spitzenpolitikers in Zürich sorgt in der Schweiz für rote Köpfe. Der Kanton Zürich bittet den Bundesrat, die Visite abzusagen.
Publiziert: 08.03.2017 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:20 Uhr
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Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu will die Schweiz besuchen.
Foto: Keystone
Simon Marti, Joël Widmer und Matthias Halbeis

Die kurzfristig angesagte Stippvisite des türkischen Aussenministers sorgt für Spannungen zwischen Bundesbern und dem Kanton Zürich. Mevlüt Cavusoglu soll am Sonntag in Opfikon ZH vor Mitgliedern der türkischen Gemeinde auftreten, wie der BLICK publik machte und das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gestern bestätigte.

Im Internet wirbt die Partei des autoritären Staatschefs Recep Tayyip Erdogan für den Anlass in der Schweiz. Nur: Der Zürcher Regierung ist dieser Besuch überhaupt nicht geheuer. Mehr noch, der Regierungsrat habe «allergrösste Sicherheitsbedenken zu diesem Anlass», erklärt Urs Grob, Sprecher von Sicherheitsdirektor Mario Fehr (SP).

Bundesrat soll Veranstaltung absagen

Auch angesichts der äusserst kontroversen Diskussionen um Auftritte türkischer Repräsentanten in Deutschland rechne die zuständige Sicherheitsdirektion in jedem Fall mit massiven Kundgebungen vor dem Veranstaltungsort, der bereits durch die Medien bekannt gemacht wurde, so Grob. «Der Zürcher Regierungsrat erachtet die Durchführung der Veranstaltung als nicht verantwortbar und bat den Bundesrat, geeignete Massnahmen zu treffen, um die Veranstaltung abzusagen.»

Noch gestern Morgen hatte der Bundesrat wenige Bedenken. So sagte Aussenminister Didier Burkhalter am Mittag zu BLICK: «Es ist nicht das erste Mal, dass jemand für einen Auftritt in die Schweiz kommt. Es gibt auch keinen Grund, um darin ein Problem zu sehen.»

Auch für das Bundesamt für Polizei (Fedpol) lag der Ball grundsätzlich bei den Zürchern. Wie bei Besuchen von ausländischen Ministern üblich, habe das Fedpol eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen «und bei der Kantonspolizei Sicherheitsmassnahmen veranlasst», so Fedpol-Sprecherin Lulzana Musliu gestern Nachmittag. Offensichtlich sahen die Bundesbehörden kein Sicherheitsproblem, das nicht zu bewältigen wäre.

EDA beurteilt Lage neu

Nach dem dramatischen Aufruf aus Zürich geht man aber im Aussendepartement nochmals über die Bücher. Das EDA habe das Schreiben der Zürcher Behörden an die Bundesräte Didier Burkhalter und Simonetta Sommaruga zur Kenntnis genommen, teilte das Departement gestern Abend schriftlich mit. Burkhalter habe die auf Bundesebene für Sicherheitsfragen zuständigen Dienste um eine Analyse der Situation gebeten. Auf deren Basis werde über die nächsten Schritte entschieden. Gut möglich, dass dies schon heute geschieht.

Tatsächlich ist die Angst vor Ausschreitungen nicht unberechtigt. Deutschland und Holland haben in den vergangenen Tagen eine Reihe von Auftritten türkischer Politiker abgesagt. Erdogan warf Berlin daraufhin «Nazi-Methoden» vor.

Wahlkampf in Europa

Derzeit umwirbt das Erdogan-Regime hartnäckig einmal mehr Exil-Türken in Europa. Am 16. April stimmt die Türkei über eine umstrittene Reform ab, welche die Machtfülle des immer autoritärer auftretenden Erdogan in der Verfassung festschreiben soll. Dabei sind die zahlreichen Stimmberechtigten im Ausland möglicherweise entscheidend.

Für die SVP ist der Fall klar: Sie fordert Bund und Behörden auf, Cavusoglus Besuch zu verbieten. «Als Aussenminister ist er willkommen, aber nicht als Propagandaminister», sagt Roland Büchel, St. Galler SVP-Nationalrat und Präsident der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Nationalrats. Sein Berner Parteikollege Andreas Aebi ist «sehr erstaunt» über den geplanten Besuch. «Es kann nicht sein, dass die Türken ihre Konflikte in die Schweiz tragen», sagt er.

Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan sagt, dass der Besuch für regierungskritische Türken und Kurden in der Schweiz eine Provokation darstelle. «Dennoch soll er hier reden dürfen», hält sie fest. Nur wünsche sie sich in der Türkei das gleiche Recht für alle Menschen, auch für Regierungsgegner und ausländische Politiker. Leider sei das definitiv nicht der Fall, so die Baslerin.

SP-Nationalrat und Ex-Spitzendiplomat Tim Guldimann betont, dass es auch politische Gründe gebe, den Auftritt zuzulassen. «Wir sollten Erdogan nicht den Vorwand liefern, zu behaupten, Europa sei gegen die Türkei und halte sich nicht an die eigenen Prinzipien», so der Zürcher.

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