Trotz unbezahlter Krankenkassenprämien
Thurgauer Kinder müssen behandelt werden

Im Thurgau leiden Kinder, wenn ihre Eltern die Krankenkassenprämien nicht zahlen – sie erhalten nur im Notfall eine Behandlung. Damit soll nun Schluss sein, findet der Bundesrat.
Publiziert: 15.11.2019 um 08:47 Uhr
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Wenn Eltern die Krankenkassenprämien nicht bezahlt haben, müssen Thurgauer Ärzte wie Stefan Schneider auch Kinder nicht behandeln.
Foto: Philippe Rossier
Sermîn Faki

Im Thurgau ist es Alltag: Ärzte dürfen Kinder, deren Eltern der Krankenkasse Prämien schulden, nicht behandeln. Im Ostschweizer Kanton stehen 856 Kinder auf der sogenannten Schwarzen Liste der säumigen Prämienzahler. Diese darf ein Arzt nur im Notfall behandeln. Der Thurgau ist der einzige Kanton, der Kinder systematisch auf diese Liste setzt.

Damit soll nun Schluss sein. Der Bundesrat will, dass Kinder jederzeit von einem Arzt behandelt werden – auch wenn deren Eltern auf der Schwarzen Liste stehen. Die Landesregierung beantragt dem Parlament, einen Vorstoss des Zürcher SP-Nationalrats Angelo Barrile (43) anzunehmen. Dieser fordert, das Gesetz so anzupassen, «dass für Kinder und Minderjährige der Zugang zu medizinischen Leistungen jederzeit gewährleistet ist».

Bund nimmt Thurgau an die kurze Leine

Damit nimmt der Bund den Kanton Thurgau an die kurze Leine. Denn dieser wollte trotz Rüge, dass er mit diesem Vorgehen gegen die Kinderrechtskonvention verstosse, an der umstrittenen Praxis festhalten. «Wenn die Eltern die Prämien nicht bezahlen, vernachlässigen sie die Kinder, nicht der Kanton», sagte zuständige Regierungsrat Jakob Stark (61, SVP) zu BLICK.

Stimmen auch National- und Ständerat dem Bundesrat zu, muss Stark über die Bücher. Damit würde man auch die Kinderärzte aus der Zwickmühle befreien, in der sie heute stecken. Handeln sie streng nach Gesetz, leiden die Kinder – egal, ob daran nun die Eltern oder die Kantonsregierung die Schuld tragen. Wenn Ärzte Herz zeigen und den Notfallbegriff etwas weit auslegen, kann das dazu führen, dass sich die Krankenkassen weigern, die Kosten zu übernehmen. «Dann bleiben die Ärzte auf diesen Kosten sitzen», musste Stark einräumen.

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