Trotz Pandemie
Befürchteter Anstieg in der Sozialhilfe bleibt aus

Anders als erwartet, haben die Sozialhilfe-Fälle im letzten Jahr nicht stark zugenommen. Das hat auch mit den Corona-Hilfen des Bundes zu tun.
Publiziert: 26.10.2021 um 09:49 Uhr
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Die meisten hatten einen Anstieg der Sozialhilfe-Fälle während der Pandemie befürchtet.
Foto: Siggi Bucher

Die meisten waren davon ausgegangen, dass die Pandemie viele Menschen in die Sozialhilfe treibt. Doch der befürchtete Anstieg in der Sozialhilfe ist ausgeblieben – er beträgt lediglich 0,5 Prozent. Zu diesem Schluss kommt die Städteinitiative Sozialpolitik, die den Bedarf an Sozialhilfe in 14 Städten untersucht hat.

Die nur geringe Zunahme von 0,5 Prozent zeige, wie wichtig ein gut funktionierendes soziales Sicherungssystem für die Schweiz sei, stellte die Städteinitiative Sozialpolitik am Dienstag vor den Medien fest.

Die Corona-Pandemie habe zwar die in den letzten Jahren beobachtete Tendenz zur Fallabnahme unterbrochen, doch der befürchtete deutliche Anstieg der Fallzahlen sei 2020 ausgeblieben.

14 Städte im Fokus

Der vorgestellte Bericht «Sozialhilfe in Schweizer Städten» basiert auf Auswertungen der schweizerischen Sozialhilfestatistik des Bundesamtes für Statistik (BFS) der 14 Städte Basel, Bern, Biel, Chur, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Schaffhausen, Schlieren, Uster, Wädenswil, Winterthur, Zug und Zürich. In diesen Städten leben rund ein Viertel aller Sozialhilfebeziehenden der Schweiz.

Fallabnahmen gab es dabei in Basel, Lausanne, Biel, Zug, Wädenswil und Schlieren. Kaum Veränderungen wurden in Winterthur, St. Gallen und Uster festgestellt. Und mehr Fälle gab es in Zürich, Bern, Luzern, Schaffhausen und Chur.

Höchste Sozialhilfequote in Biel

Mit Abstand am höchsten war die Sozialhilfequote 2020 unter den 14 verglichenen Städten in Biel mit 10,5 Prozent, vor Lausanne (7,6 Prozent) und Basel (6,1 Prozent). Einen sehr deutlichen Anstieg der Sozialhilfequote verzeichnete von 8,7 Prozent 2019 auf 9,5 Prozent im Jahr 2020 verzeichnete Luzern. Am niedrigsten war die Sozialhilfequote in Zug (1,4 Prozent).

Laut der Städteinitiative Sozialpolitik konnte die Existenz eines grossen Teils der betroffenen Bevölkerung durch die der Sozialhilfe vorgelagerten Sozialversicherungen und die Unterstützungsleistungen von Bund, Kantonen und Gemeinden während der Corona-Krise gesichert werden. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang Kurzarbeitsregelung, Corona-Erwerbsersatz und vorübergehende Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosengelder.

Martin Merki, Sozial- und Sicherheitsdirektor der Stadt Luzern, schlussfolgerte daraus, dass es sehr wichtig sei, dass der Bund Unterstützungsleistungen für besonders betroffene Kreise weiterhin prüfe und bei Bedarf bis zum Ende der Pandemie ausrichte.

Manche fallen durch die Maschen

Die Corona-Pandemie habe aber auch «besorgniserregende Lücken aufgedeckt», hiess es. Es habe sich gezeigt, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen durch das soziale Netz fallen würden. Im Frühling 2020 seien etwa in Schweizer Städten täglich Hunderte von Menschen für kostenlose Mahlzeiten oder Lebensmittelpakete angestanden.

In der Region Lausanne beispielsweise wurden laut Mitteilung 2020 über 700 Tonnen Lebensmittel verteilt. Besonders davon betroffen waren Ausländerinnen und Ausländer, die bei Sozialhilfebezug ihre Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung verlieren können.

Nicolas Galladé, Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik und Winterthurer Stadtrat, wies darauf hin, dass in diesem Bereich dringend Anpassungen am System notwendig sind: Die Überbrückung von Notsituationen solle in Zukunft allen Betroffenen offenstehen. Eine weitere Verschärfung der Ausländergesetzgebung wäre in seinen Augen kontraproduktiv für die Bekämpfung der Armut.

Wiederholte Sozialhilfebezüger

Wiederholter Sozialhilfebezug ist häufig, wie die Städteinitiative Sozialpolitik weiter feststellt. Wer sich von der Sozialhilfe lösen könne, bleibe oft armutsgefährdet. Bei mehr als der Hälfte der Sozialhilfebeziehenden komme es nach Ablösung aus der Sozialhilfe zu einem späteren Zeitpunkt zum Wiedereintritt.

Bereits eine unvorhergesehene Ausgabe wie beispielsweise eine Zahnarztrechnung oder eine instabile Einkommenssituation könne wieder in die Sozialhilfe führen. Laut der Städteinitiative Sozialpolitik gibt es Bevölkerungsgruppen, in denen sich Armut trotz Sozialhilfe verfestigt hat und die sich in einer stets prekären Situation am Existenzminimum befinden.

(SDA)

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