Es ist schon etwas paradox: Seit dem Volks-Ja zur SVP-Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) im Februar 2014 sank die Nettoeinwanderung – die Zuwanderung minus Auswanderung – kontinuierlich. Dies, obwohl die neue Verfassungsbestimmung all die Jahre gar nicht umgesetzt war.
Dies hat sich diesen Sommer geändert. Der sogenannte Inländervorrang light ist seit dem 1. Juli in Kraft; die Umsetzung der MEI auf Verordnungsstufe also. Und ausgerechnet jetzt kommt es zur Trendwende in der Migration: Die Zuwanderung steigt urplötzlich wieder an!
Wie die neusten Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM) zeigen, zogen im Juli und August dieses Jahres netto 5005 Personen in die Schweiz. In der Vorjahresperiode waren es nur 4714 Ausländer gewesen. Dies, nachdem die Zahlen in den letzten Jahren stetig zurückgingen.
Bis zu 11'000 Zuwanderer weniger?
Die MEI wurde vom Parlament ganz bewusst sehr sanft in ein Gesetz gegossen. Seit drei Monaten müssen Arbeitgeber offene Stellen den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) melden. Dies in Berufsgruppen, die eine Arbeitslosenquote von mindestens acht Prozent aufweisen. Diese Arbeitslosen erhalten so einen wertvollen Informationsvorsprung von fünf Tagen. Denn erst nach dieser Frist dürfen die Stellen öffentlich ausgeschrieben werden.
Der indirekte Effekt auf die Zuwanderung – FDP-Nationalrat Kurt Fluri (63) prognostizierte ein Rückgang zwischen 6000 und 11'000 Personen – ist also (noch) nicht spürbar. Im Gegenteil.
Ein Grund dafür dürfte die starke Konjunktur sein. Sowohl das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) als auch die Konjunkturstelle der ETH haben ihre Prognosen erneut noch oben geschraubt – und rechnen dieses Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von satten 2,9 Prozent.
Viel mehr offene Stellen beim RAV
Der Inländervorrang light führt aber bereits zu mehr offenen Stellen bei den RAV: 36'300 waren es Ende September – dreimal mehr als vor einem Jahr. Ob diese auch wie beabsichtigt vermehrt durch Arbeitslose besetzt werden, kann das Seco noch nicht abschätzen.
Erste Zahlen liegen im Gastgewerbe vor: Jede siebte der gemeldeten Stellen konnte durch eine bei RAV gemeldete arbeitslose Person besetzt werden. Ob dieser Wert ganz in Ordnung oder zu tief ist – da scheiden sich die Geister.
Auch deshalb, weil die Zahl der Arbeitslosen so tief ist wie lange nicht mehr: Ende letzten Monat lag sie bei 2,4 Prozent. Das ist der tiefste Septemberwert seit einem Jahrzehnt.