Ein Stalking-Skandal erschüttert das Bundeshaus – und der Verantwortliche reicht seelenruhig eine Interpellation ein. Yannick Buttet (40) sorgte sich gestern um die geplante Auflösung der Alpinski-Sportgruppe des Grenzwachtkorps und eilte dieser mit einem Vorstoss zu Hilfe. Man staunt ob der Kaltschnäuzigkeit – denn der Walliser CVP-Nationalrat hat momentan ganz andere Probleme.
Ex-Geliebte gestalkt
Buttet soll seine Ex-Geliebte belästigt haben. Mitten in der Nacht zum 19. November, kurz vor 2 Uhr, läutet er bei der jungen Mutter Sturm, worauf die Verängstigte die Polizei ruft. Buttet versucht sich im Garten vor den Beamten zu verstecken, so die Lausanner Zeitung «Le Temps», kann aber gestellt werden – und gibt den Klingelterror «halbwegs» zu.
Seit einem Jahr soll er seine Ex-Geliebte – eine Parteikollegin, mit der er eine 18 Monate dauernde Affäre hatte – gestalkt, mit SMS, Mails und Anrufen geplagt haben. Ein Strafverfahren läuft.
Doch Stalking in diesem einen Fall ist nicht mehr der einzige Vorwurf, der Buttet zur Last gelegt wird. In der CVP will man von mehreren Affären gewusst haben. Politikerinnen und Journalistinnen berichten in «Le Temps» zudem anonym von unangemessenen Handlungen und «unkontrolliertem sexuellem Drang», besonders, wenn Buttet ein Glas zu viel intus hatte. Und das hatte er häufiger, wie es im Bundeshaus heisst.
Nicht mehr CVP-Vizepräsident
Dass nun alles öffentlich wurde, hat erste Konsequenzen: Seinen Posten als CVP-Vizepräsident hat der französischsprachige Unterwalliser per sofort verloren. Weitere Schritte will seine Partei prüfen – auch wenn sie ihn nicht zum Rücktritt zwingen kann. Und Buttet selbst ist dazu nicht bereit. Ein solcher Schritt komme für ihn erst bei einer Verurteilung in Frage.
Rat- und hilflos daher die Reaktion von Parteipräsident Gerhard Pfister (55). «Das Verhalten ist absolut inakzeptabel», sagt dieser zu BLICK und schiebt seufzend nach, dass man deswegen nicht auf die ganze CVP schliessen sollte: «Das Parlament ist ein Abbild der Gesellschaft.»
Trotzdem: Dass ausgerechnet ein Vertreter der selbsternannten Werte- und Familienpartei für derart gravierende Übergriffe verantwortlich ist, bringt die CVP in Erklärungsnot. «Für die Partei wäre es am besten, wenn er zurücktreten würde», meint ein Parteikollege resigniert.
Denn was mit dem Stalking-Skandal zum Vorschein kommt, ist tiefste Doppelmoral. In der Öffentlichkeit präsentiert sich Buttet als treusorgender Ehemann und «glücklicher Familienvater» von zwei Kindern im Alter von zehn und elf Jahren.
Buttet ist gegen die Homo-Ehe
Auch politisch fährt er ein Gegenprogramm zu seinem nun aufgedeckten Lebenswandel. Seit 2011 für die CVP im Nationalrat, politisiert Buttet dort in der erzkonservativen Ecke. Eine liberale Gesellschaft ist dem Gemeindepräsidenten von Collombey-Muraz VS ein Graus. Buttet kämpft gegen die Homo-Ehe, ja gegen jede Art rechtlicher Gleichstellung von schwulen und lesbischen Paaren. Die Unterstützung der Homo-Ehe sei nicht mehr als eine «politisch korrekte Position, gepaart mit einem Mangel an Mut gegenüber einer jeden Tag mächtigeren homosexuellen Lobby», wetterte er letztes Jahr im Nationalrat. Selbst ihre Stiefkinder sollen Schwule und Lesben nicht adoptieren können, wenn es nach ihm geht.
Als sich Ignazio Cassis (56) im Bundesratswahlkampf für die Drogen-Legalisierung aussprach, schwang Anti-Drogen-Hardliner Buttet die Moral-keule: «Ein Mann mit einer solchen Haltung im Bundesrat wäre kein gutes Signal», diktierte er in die Mikrofone. «Er könnte einen schlechten Einfluss auf unsere Jugend ausüben.»
Selbst für CVP-Verhältnisse ist Buttet radikal
Buttet sitzt stattdessen im Komitee der Anti-Sexkoffer-Initiative, die im Jahr 2014 die Sexualkunde aus Kindergarten und Primarschule verbannen wollte. Und weibelt 2013 für die konservative Familieninitiative der SVP, die das traditionelle Familienmodell stärken soll. Dieses Anliegen ging selbst den CVP-Delegierten zu weit, was zeigt: Sogar gemessen an CVP-Massstäben tickt Buttet radikal. Er sei ein fanatischer Typ, heisst es im Bundeshaus. Nicht wenige ärgern sich angesichts der Ereignisse denn auch über seine «moralinsaure Art» und das «erzkonservative Getue».
Buttet selbst rechtfertigt sein Verhalten mit einer «ernsten Ehekrise, die mein Urteilsvermögen und mein Verhalten beeinflusst». Das alles habe mit einer Frau zu tun, von der er sich mittlerweile getrennt habe. Er gibt auch zu, dass er sich «unter Alkoholeinfluss manchmal unangemessen verhalte – das hat aber nichts mit diesem Ereignis zu tun». Buttet entschuldigt sich zudem bei allen, die er unfreiwillig verletzt habe, bei seiner Frau Laetitia, seinen beiden Kindern und allen, die ihn unterstützten.
Gegenüber BLICK will Buttet nicht Stellung nehmen: «Ich habe alles gesagt!», ruft er verärgert in einem Seitengang der Wandelhalle. Vor dem Richter kommt er vielleicht mit einem blauen Auge davon. Entscheidend im Strafverfahren wird sein, wie der nächtliche Klingelterror ausgelegt wird. Denn Stalking ist in der Schweiz kein Straftatbestand. Doch das politische Urteil über den Moralisten aus dem Wallis dürfte weniger gnädig ausfallen.