Es war eine hitzige Abstimmungsschlacht, die klar endete: Vor zwei Jahren stimmten 60,4 Prozent der Schweizer für die erleichterte Einbürgerung von Ausländern der dritten Generation. Die SVP machte mit einem Burka-Plakat erfolglos Stimmung und warnte davor, den roten Pass leichtsinnig zu verschenken.
Die neue Möglichkeit für junge Menschen, deren Grosseltern vor Jahrzehnten in die Schweiz gekommen sind, sei mehr als verdient, betonten hingegen die Befürworter wie die damalige Justizministerin Simonetta Sommaruga (58, SP): «Diese Enkelgeneration hat ihr ganzes Leben in der Schweiz verbracht, sie gehen mit unseren Kindern in die Pfadi oder kicken mit ihnen im Fussballklub. Die Schweiz ist ihre Heimat, nur fehlt ihnen der rote Pass.»
25'000 Personen könnten – 960 taten es
Seit Februar 2018 ist das Gesetz in Kraft. Die rund 25'000 Personen, welche die Voraussetzungen zur erleichterten Einbürgerung erfüllen, können seither von den Entlastungen profitieren: Ein Vorsprechen vor einer Kommission etwa ist nicht nötig. Es reicht, ein Formular auszufüllen, die nötigen Nachweise zu erbringen und 500 Franken zu bezahlen.
Nur: Trotz dieser tiefen Hürden haben die allerwenigsten Drittgenerationsausländer Interesse am roten Pass. Dies zeigen erste Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM), die BLICK vorliegen. Nur gerade 960 Personen haben im letzten Jahr ein Gesuch eingereicht. Das ist weniger als jeder Fünfundzwanzigste oder knapp vier Prozent all jener, welche die Kriterien erfüllen. Insgesamt 465 Italiener, 150 Türken und 76 Kosovaren beantragten auf diesem vereinfachten Weg beim Bund den roten Pass. Hinzu kommen vereinzelte Personen verschiedener anderer Nationalitäten (siehe Tabelle).
Keine Rekurse von Kantonen und Gemeinden
Für ordentliche Einbürgerungen sind Kantone und Gemeinden zuständig. Bei erleichterten Verfahren können sie einen Rekurs einlegen, falls Gründe gegen die Vergabe eines Schweizer Passes sprechen. Von diesem Recht hat jedoch 2018 niemand Gebrauch gemacht, wie das SEM sagt.
Dennoch sind die Zahlen aus den Kantonen höchst unterschiedlich. Der Aargau schwingt mit 206 Einbürgerungsgesuchen obenaus. Aus Zürich beantragten hingegen nur 38 Personen die Schweizer Nationalität, aus St. Gallen 100 und aus Graubünden lediglich drei.
Höhere Hürden bei ordentlichen Einbürgerungen
Für Cédric Wermuth (32), der sich dafür einsetzt, dass Ausländer vermehrt den Schweizer Pass beantragen, sind die Zahlen «eher tief», wie er sagt. Der SP-Nationalrat glaubt, die neue Möglichkeit müsse sich erst noch herumsprechen. «Ich wünsche mir eine Zunahme und rechne damit im Laufe der Zeit.» Auch weil die Anforderungen einer ordentlichen Einbürgerung stetig steigen würden, so der Aargauer.
Tatsächlich hat die Politik parallel zur Entlastung der dritten Ausländergenerationen die Hürden der ordentlichen Einbürgerung erhöht. So müssen seit letztem Jahr einbürgerungswillige Personen zusätzliche Integrationskriterien erfüllen und zwingend über eine Niederlassungsbewilligung verfügen.
Dies führt wohl zu einem leichten Rückgang. Sind 2017 gesamthaft noch rekordhohe 44'500 Personen eingebürgert worden, waren es 2018 bis und mit November knapp 37'000.