Der Kanton Waadt treibt dem Bund die Sorgenfalten auf die Stirn – und sie werden immer tiefer. Diese Woche hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) die neuste Asylstatistik veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass die Waadt zwischen Mai 2016 und April dieses Jahres 203 Asylbewerber nicht innert der gesetzten Frist dem laut der Dublin-Verordnung zuständigen Staat überwiesen hat. Die Verordnung legt fest, welches Land für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Meist ist dies der Staat, in dem ein Asylsuchender zuerst europäischen Boden betritt.
Die Zahl entspricht knapp einem Drittel aller Asylbewerber, die hätten rückgeschafft werden müssen. Eine Quote, wie sie kein anderer Kanton auch nur ansatzweise erreicht. Eine Mehrheit der Kantone sind Musterschüler und verpassen keine einzige Frist. Die Dublin-Praxis der Waadt hatte indes bereits letztes Jahr für Kritik gesorgt. Seither hat die Zahl der Fälle, bei denen die Frist verpasst wurde, nochmals um fast 50 Prozent zugenommen.
«Der Staatsrat verweigert sich dem Gesetz»
«Es ist eine Katastrophe!», regt sich der Waadtländer SVP-Nationalrat und Kantonsrat Michaël Buffat (37) auf. «Es geht nicht um Können, sondern um Wollen. Der linke Staatsrat verweigert sich dem Gesetz.» Buffat prangert zudem die Kosten an, die durch das Verschlampen der Fälle anfallen. Denn wird die Frist nicht eingehalten und ist die Person nicht von sich aus ausgereist, wird automatisch die Schweiz für das Asylverfahren zuständig. Und das geht für den zuständigen Kanton ins Geld.
Beim SEM will man die Fälle in der Waadt nicht konkret kommentieren. Fakt ist aber: Der Bundesrat hat dem Westschweizer Kanton vergangenes Jahr bereits mit Konsequenzen gedroht – und diese Drohungen inzwischen auch wahrgemacht.
Aus einer Antwort des Bundesrats auf eine Frage von Nationalrat Buffat geht hervor, dass der Bund im Fall der Waadt schon in mehreren Dutzend Fällen die Zahlung der Pauschalbeträge ausgesetzt hat. Dabei handelt es sich um 1500 Franken pro Monat und Asylbewerber, die der Bund den Kantonen normalerweise zur Deckung der Kosten überweist. Nun muss die Waadt dem Bund zeigen, warum die Rückschaffungen nicht möglich waren. Nur wenn sie triftige Gründe geltend machen können, erhalten sie die Asyl-Subventionen wieder.
Kanton verteidigt sich
Diese gibt es aus Sicht der Waadtländer Regierung durchaus. Man konzentriere sich bewusst auf die Rückführung krimineller Ausländer, rechtfertigt sich das zuständige Departement. Die rechtlichen Auflagen für Rückführungen seien im Kanton zudem «viel strikter» als im Rest der Schweiz.
Das soll sich bald ändern. Im September tritt eine Gesetzesänderung in Kraft, die die Verfahren beschleunigen soll.