Eine schwedische Teenagerin mischt die Schweizer Politik auf. Seit Greta Thunberg (16) die Jugend für den Klimaschutz mobilisiert, gewinnen die Öko-Parteien. In mehreren Kantonen kam es zum Linksrutsch, Bürgerliche erlitten Verluste, der stolze Zürcher Freisinn verlor einen Regierungssitz an die Grünen.
Und im Herbst sind nationale Wahlen! Während sich Christoph Blochers SVP als letzte Bastion gegen den «Klima-Hype» anbietet, schlug FDP-Präsidentin Petra Gössi (43) einen anderen Weg ein: Der Vorstand hat bei den 120'000 Parteimitgliedern mit einer detaillierten Umfrage den Puls gefühlt.
Letzten Sonntag lief die Frist für die Onlineteilnahme ab: 14'198 Rückmeldungen trafen bei der von GFS Bern durchgeführten Erhebung ein. Zentrale Befunde landeten am Freitag bei ausgewählten FDP-Funktionären – und beim SonntagsBlick.
Unbestritten ist demnach mit 78 Prozent Zustimmung, dass sich die FDP in Zukunft «ganz generell» mehr für Klima- und Umweltschutz einsetzen soll.
Der Staat solls richten
Die Bereitschaft für staatliche Eingriffe und Gesetze in der Wirtschaftspartei ist bemerkenswert hoch. Im Hinblick auf konkrete Massnahmen bedeutet das: 68 Prozent wollen den CO2-freien Verkehr auf der Strasse fördern; 69 Prozent sprechen sich für strengere Emissionsgrenzwerte aus, 81 Prozent der FDP-Mitglieder sind für mehr Klimaschutz in der Bildung. Immerhin betont eine überwältigende Mehrheit von 86 Prozent der Freisinnigen auch, dass man privatwirtschaftliche Modelle fördern solle.
Ausgerechnet im politisch hoch umkämpften Verkehrsdossier ist der Wunschzettel der Basis an die Parteiexponenten besonders deutlich: 77 Prozent der FDP-Mitglieder verlangen von ihrer Partei, dass sie in diesem Bereich mehr für den Klimaschutz tun soll. So fordern 73 Prozent der einfachen FDP-Mitglieder sogar eine Flugticketsteuer. Eine Mehrheit von 58 Prozent ist für eine neue CO2-Lenkungsabgabe auf Treibstoffe. Mobility Pricing, also höhere Preise bei starker und tiefere Preise bei geringer Nachfrage im ÖV, begrüssen 53 Prozent. «Aus Liebe zur Schweiz», lautete der FDP-Slogan einst. Heute müsste er «Aus Liebe zum Planeten» heissen.
Brisant sind die Umfragedaten über die Ziele des Pariser Klimaabkommens: Die Senkung des CO2-Ausstosses um die Hälfte bis 2030 findet eine breite Akzeptanz von 77 Prozent. Und 60 Prozent der FDP-Mitglieder sind dafür, dass die Schweiz ihren Ausstoss von Treibhausgasen vorwiegend mit Ökomassnahmen im Inland kompensiert. Zur Erinnerung: Im Nationalrat scheiterte das CO2-Gesetz nicht zuletzt deshalb, weil sich der Freisinn sowohl gegen eine Flugticketabgabe als auch gegen eine CO2-Reduktion im Inland gestemmt hatte.
Oberwasser für Gössi
Die Resultate könnten für Gössi zum Befreiungsschlag werden. Als sie im Februar via «Tages-Anzeiger» eine grüne Kurskorrektur ankündigte, folgte laute Kritik aus den eigenen Reihen. Vizepräsident Christian Wasserfallen (37) etwa schnödete auf Twitter gegen Gössis Manöver; plötzlich schien die Chefin einsam – und für die Verluste an der Urne verantwortlich. Nun stellt sich die Frage: Hatte die Bundeshausfraktion in der grossen Kammer an der Basis vorbeipolitisiert? Sowohl die Parteipräsidentin als auch Generalsekretär Samuel Lanz geben sich auf Anfrage bedeckt; man äussere sich nicht zu einem laufenden internen Prozess.
Entscheidend wird der 22. Juni, wenn die parteiinterne Begleitgruppe den Delegierten ihr Positionspapier vorlegen wird, das bis dahin aufgrund der Daten entstehen soll. Dann wird sich zeigen, wie nachhaltig Gretas Einfluss ist.