Nahezu jeder dritte Urnengänger hat SVP gewählt. Was heisst dieser historische Wahlsieg für das Land? Zunächst einmal: Die Asyl- und Migrationspolitik, ein Kernthema der Rechtsaussenpartei, hat diese Wahlen zugunsten der SVP entschieden. Kein Wunder. Das Flüchtlingsproblem ist das grosse Leid der Zeit, ein ungetilgter Schandfleck der zivilisierten Weltgemeinschaft, unter dem alles andere verblasst. Darin offenbart sich die abgrundtiefe Ratlosigkeit der Politiker. Sie schwanken zwischen einem Aufnahme-Blankoscheck für Flüchtlinge und einer unmenschlichen Grenzen-dicht-Haltung.
Das Volk will pragmatische Lösungen zur Eindämmung der Flüchtlingsströme – das heisst: klare Anwendung des Asylgesetzes. Dies traut jeder dritte Wähler am ehesten der SVP zu.
Dass dieser Wunsch im Land der direkten Demokratie derart deutlich ausfällt, dürfte auch in Brüssel und Berlin aufmerksam registriert werden. Die Schweiz ist seit jeher ein Seismograf für Unterströmungen in der Bevölkerung, die sich über das direktdemokratische Wahlsystem früher und klarer artikulieren als anderswo und die regierenden Parteien so unter Druck setzen, den Wählerwillen zu respektieren.
Jedem Politiker in Europa muss klar sein: Würde sich auch dort das Volk direkt an der Urne zur Flüchtlingsfrage äussern können, die Resultate wären ähnlich wie in der Schweiz.
Mit dem klaren Votum für die SVP steigt auch der Druck auf die Partei, den bürgerlichen Schulterschluss zur zweiten Wahlsiegerin, der FDP, zu suchen. Der Grund: Selbst eine 30-Prozent-Partei kann ihre Politik nicht im Alleingang durchsetzen. Für die Schweiz ist dies ein gutes Zeichen.
Die jungen Mitteparteien von GLP bis BDP haben sich in den vergangenen vier Jahren politisch kaum profilieren können. Die Rückstufung auf eine marginalisierte Grösse ist die richtige, weil logische Konsequenz. So herrscht auf der rechten Seite im Grunde wieder die alte Ordnung – SVP und FDP stehen für eine bürgerliche Politik, wie sie in diesem Land seit 1848 Tradition hat. Wo Differenzen bestehen, müssen sie im Dienst der Sache gemeinsam überwunden werden. Und dies gilt insbesondere für die Migrationspolitik und die bilateralen Verträge mit der EU.
Bei Ersterer muss die FDP mässigend auf die SVP einwirken, um das Verhältnis zur EU nicht völlig zu zerrütten. Und gemeinsam müssen sie einen Weg finden, die bilateralen Verträge zu erhalten – schliesslich eint beide Parteien die Einsicht, dass ein EU-Beitritt derzeit nicht zur Debatte stehen kann.
Innenpolitisch ist die daraus resultierende Konsequenz klar: Eine Bundesrätin der Minipartei BDP kann es in Zukunft nicht mehr geben.
Es besteht nun also die historische Chance einer Rückkehr zur Normalität mit zwei SVP- und zwei FDP-Bundesräten. Die Vereinigte Bundesversammlung sollte diese am 9. Dezember nicht ungenutzt verstreichen lassen.