«Die Jungen bezahlen den höchsten Preis»
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Corona-Entlassungen:«Die Jungen bezahlen den höchsten Preis»

Trifft Corona-Krise Ü55-Arbeitnehmer am heftigsten? Nein, sagen Arbeitgeber
«Die Jungen bezahlen den höchsten Preis»

Der Stellenabbau in der Corona-Krise treffe Angestellte über 55 Jahre besonders stark, sagt der Gewerkschaftsbund. Die Arbeitgeber widersprechen vehement.
Publiziert: 17.06.2020 um 23:42 Uhr
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Aktualisiert: 18.06.2020 um 11:23 Uhr
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Im Gesundheitswesen ist der Anteil über 55-jähriger Arbeitsloser in der Corona-Krise deutlich angestiegen.
Foto: Keystone
Ladina Triaca

Ältere Menschen werden in der Corona-Krise häufiger entlassen als jüngere. Das zeigt zumindest eine Auswertung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) für die Monate April und Mai. So stieg etwa die Anzahl neuer Arbeitsloser bei den 40- bis 54-Jährigen im Gesundheitswesen im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozent. Bei den über 55-Jährigen waren es dreimal so viele.

Besonders krass ist der Unterschied zwischen den Altersgruppen im Bereich «Lagerei und Verkehrsdienstleistungen»: Während es bei den unter 54-Jährigen bloss zwei Prozent mehr neue Arbeitslose gab, schnellte die Zahl der Ü55-Arbeitslosen um 66 Prozent in die Höhe.

Die Jungen leiden

Sind die Alten die Opfer der Corona-Krise? Simon Wey, Chefökonom des Arbeitgeberverbandes, widerspricht auf Blick TV vehement: «Im Gegenteil! Es sind die Jungen, die in der Krise den höchsten Preis bezahlen.» Die Analyse des Gewerkschaftsbundes zeige ein verzerrtes Bild. «In gewissen Branchen gibt es nun tatsächlich mehr ältere Arbeitslose. Doch über die gesamte Wirtschaft betrachtet liegt die Arbeitslosenquote von über 55-Jährigen nach wie vor unter dem Durchschnitt.»

Der Grund, weshalb es in einigen Branchen viele ältere Arbeitslose gebe, liege darin, dass Ältere dort übervertreten seien. «Wenn Sie in einem Betrieb zwei Prozent der Stellen abbauen und viele ältere Arbeitskräfte haben, dann werden zwangsläufig mehr Ältere entlassen.»

«Ein Fehlanreiz»

Um ältere Arbeitslose vor dem Gang zum Sozialamt zu bewahren, hat das Parlament kürzlich die sogenannte Überbrückungsrente unter Dach und Fach gebracht. Wer mit 60 oder älter ausgesteuert wird, erhält bis zur Pensionierung einen Überbrückungsbeitrag. Mitte-links-Parteien dient das geplante Sozialwerk als wichtiges Argument im Kampf gegen die SVP-Begrenzungsinitiative. Durch die Corona-Entlassungen könnte das Auffangnetz für ältere Arbeitslose nun zusätzlichen Aufwind erhalten.

Fälschlicherweise, ist SVP-Nationalrätin Esther Friedli (43) überzeugt: «Das wahre Problem liegt bei der Zuwanderung. Viele über 55-Jährige werden entlassen und durch junge EU-Ausländer ersetzt.» Auch FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen (38) hält das geplante Sozialwerk für eine Fehlkonstruktion: «Die Überbrückungsrente animiert die Unternehmen eher dazu, über 55-Jährige in die Rente zu schicken, anstatt sie weiterzubeschäftigen.»

Chefökonom Wey hingegen ist überzeugt, dass nur wenige von der Rente Gebrauch machen würden: «Man hat die Überbrückungsrente bewusst an viele strenge Bedingungen geknüpft. Personen, die lange und schwer gearbeitet haben, sollen sich nicht auf das Niveau der Sozialhilfe runterhungern müssen.»

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