Trauriger Europarekord
Fast jeder vierte Schweizer Rentner lebt in Einkommens-Armut

Die Schweiz ist reich. Und doch: Viele Rentner leben in Armut, wie eine OECD-Studie zeigt. Den AHV-Plus-Befürwortern kommen diese Ergebnisse gerade recht.
Publiziert: 12.08.2016 um 16:25 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 15:30 Uhr
Folgt der Bundesrat der AHV/IV-Kommission, gibt es auf nächstes Jahr keine höheren AHV- und IV-Renten. (Symbolbild)
Foto: Keystone/GAETAN BALLY
Christoph Lenz

In sechs Wochen stimmt die Schweiz über die Volksinitiative AHV-Plus ab. Das von Gewerkschaften und linken Organisationen lancierte Begehren fordert eine Erhöhung der AHV-Renten um 10 Prozent. Nun erhalten die Initianten von unerwarteter Seite Unterstützung. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat diese Woche eine Studie über Altersarmut veröffentlicht. Der Schock-Befund für die Schweiz: In keinem europäischen Staat leben mehr Rentner in relativer Einkommensarmut als hierzulande. 

Die Schweiz steht schlecht da: OECD-Grafik zur Einkommensarmut von Rentnern.

Fast jeder vierte Schweizer Rentner (23,4 Prozent aller Über-65-Jährigen) hat pro Monat weniger als die Hälfte des mittleren Einkommens zur Verfügung. Damit befindet sich die Schweiz im Europa-Vergleich weit abgeschlagen hinter Staaten wie der Türkei (18,4 Prozent), Slowenien (15,9 Prozent) und Estland (12,6 Prozent). Am geringsten ist die Altersarmut in den Niederlanden: Hier lebt nur jeder fünfzigste Rentner (2 Prozent) in relativer Einkommensarmut. Auch Tschechien (2,8 Prozent), Frankreich (3,8 Prozent), die Slowakei (4,1 Prozent) und Norwegen (4,1 Prozent) schneiden im Vergleich gut ab.

Ganz so dramatisch, wie die OECD-Studie die Schweizer Situation darstellt, ist sie allerdings nicht. Einerseits berücksichtigt der Vergleich nur das Einkommen, nicht aber das Vermögen. Wenn man bedenkt, dass viele Schweizer Rentner Besitzer von Wohneigentum sind oder sich mit 65 Jahren ihr angespartes Pensionskasse-Vermögen auszahlen lassen, relativiert sich das Bild.

Andererseits ist die von der OECD verwendete Armutsdefinition umstritten. Als arm gilt, wer weniger als die Hälfte des mittleren Einkommens in einem Staat verdient. Nicht berücksichtigt werden bestimmte Transferzahlungen und etwa die Verfügbarkeit von medizinischen Leistungen.

«Viele Büezer und Selbständige haben eine sehr kleine Rente»: SP-Sozialpolitiker Steiert.

Dennoch sehen sich die Befürworter von AHV-Plus durch die OECD-Studie bestätigt. «Viele Büezer und Selbständige haben eine sehr kleine Rente. Wenn man ihre Situation gezielt verbessern will, dann ist die AHV das effizienteste Mittel», sagt SP-Mann Jean-François Steiert (FR). 

Der Bundesrat und bürgerliche Parteien lehnen die AHV-Plus-Initiative jedoch ab. Für sie ist ein Ausbau der AHV-Leistungen nicht finanzierbar. 

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