Der ungarische Parlamentspräsident László Kövér (59) erweist dem Nationalrat in Bern die Ehre – und Schweizer Volksvertreter von SP und Grünen zeigen den Gefolgsmann des umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán (55) und Mitgründer der Fidesz-Partei nur den Rücken: Der gestrige Eklat im Bundeshaus beschäftigt auch die ungarischen Medien.
Das Nachrichtenportal hvg.hu schreibt, dass es in Bern für Kövér zu einer «unangenehmen Szene» gekommen sei. «Nicht alle, aber ein bedeutender Teil der beiden Parlamentsfraktionen» hätten den Saal verlassen, hält der Bericht fest.
Ungarische Nachrichtenagentur verschwieg den Vorfall
Die Online-Ausgabe der traditionsreichen linken Tageszeitung «Népszava» berichtet ebenfalls über den «unbequemen Vorfall» in der Schweiz. Zwei Fraktionen hätten die Grosse Kammer verlassen, «um gegen die Politik von Fidesz zu protestieren». Die Zeitung erwähnt allerdings auch, dass SP-Fraktionschef Roger Nordmann von der «spontanen Handlung» überrascht gewesen sei – und dass SVP-Präsident Albert Rösti, das Verhalten «als Beleidigung und Missachtung der Grundregeln der Diplomatie gewürdigt hat».
Die «Népszava» verweist zudem auf den Bericht von BLICK – und argwöhnt, dass die ungarische Nachrichtenagentur Magyar Távirati Iroda (MTI) «den Vorfall übrigens in seinen Nachrichten über den Besuch von László Kövér in Bern nicht erwähnte».
Diplomatisches Schweigen
Lieber geschwiegen haben gestern offenbar auch die ungarischen Vertreter im Bundeshaus, wie SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel (SG, 53) berichtet. Er hatte sich gleich anschliessend an den Eklat im Nationalrat mit Diplomaten und dem Parlamentspräsidenten unterhalten.
«Wir sahen uns bei der Gründung der parlamentarischen Gruppe Schweiz-Ungarn und Kövér reagierte erstaunlich gelassen und positiv», so Büchel. «Während sich unsere SPler und Grüne wie Hooligans benahmen, verhielten sich die Ungarn diplomatisch und ritterlich.»
Der Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner (AG, 56), Präsident der neuen Freundschaftsgruppe, erhielt ebenfalls keine negativen Reaktionen. SVP-Präsident Albert Rösti (BE, 51), der am Treffen ebenfalls teilgenommen habe, habe sich entschuldigt. Auch die neue Freundschaftsgruppe war heute übrigens eine News wert in Ungarn.
FDP-Aussenpolitikerin Christa Markwalder reagiert scharf
Bisher nicht bekannt ist, ob der Vorfall auf höherer diplomatischer Ebene noch ein Thema war. So traf auch Staatssekrektär Roberto Balzaretti (54), zuständig im Aussendepartement für europäische Angelegenheiten, László Kövér nach dem Vorfall zum Mittagessen.
FDP-Aussenpolitikerin Christa Markwalder (BE, 43) jedoch, die 2016 als damalige Nationalratspräsidentin in Ungarn zu Besuch war, nahm am Donnerstagmorgen im Nationalrat kein Blatt vor den Mund. Sie rügte bei der Diskussion des aussenpolitischen Berichtes 2018 die SP mit scharfen Worten. Demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklungen in Ungarn würden «die gestrige törichte Aktion einiger Kolleginnen und Kollegen der SP keineswegs rechtfertigen».